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KIRINO Natsuo – Die Umarmung des Todes |
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Es ist ein Ding mit Spontankäufen, sie können ungemein gut sein oder tierisch daneben. Dieses Buch war bei mir einer dieser Käufe. Vom Cover war es nicht abstoßend, es zeigt einen leicht verhüllten, mit einem Drachen tätowierten Busen, und der Klappentext las sich auch nicht so schlecht, wenn auch nicht gerade herausragend. Doch zur Handlung: Im Buch wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, zumeist Frauen, die während der Nachtschicht in einer Lunchfabrik arbeiten. Man kennt sich etwas, wie es unter Kollegen halt üblich ist, ist aber zugleich nicht darauf erpicht, mit allen per du zu sein. Doch auf einer gewissen Ebene schweißt einen die Arbeit und das gemeinsame Leid der Nachtschicht zusammen. So kommt es, dass, als eine von ihnen ein Verbrechen begeht, zur Vertuschung zwar nicht selbstverständlich und freiwillig, doch aber immerhin aus Freundschaft und finanziellem Beitrag die Leidensgenossinnen zur Hilfe kommen. Doch wie bei Menschen üblich werden Fehler begangen, und so kommt es fast zur Entlarvung der Verbrecherinnen und des Zweckbündnisses. Und wie es weitergeht, lest selbst... Bevor es weitergeht, eine Warnung: LEST NICHT DEN KLAPPENTEXT! In ihm wird bereits gut ein Drittel des Buches vorweggenommen. Die Handlung baut sich relativ langsam auf, es vergehen einige Seiten, ehe es zu einem ersten Höhepunkt, dem Verbrechen kommt. Und auch danach kommt es nicht sofort, wie man es mitunter von anderen Krimis gewohnt ist: Schlag um Schlag und die Akteure laufen dem Verbrechen nur noch hinterher. Nein, die Handlung wird ruhig weitererzählt und die Autorin legt mitunter einen neuen Handlungsstrang, den sie erst später zur Hauptgeschichte führen wird. Erst das letzte Drittel des Buches gestaltet sich meiner Meinung nach als fesselnd, wobei trotzdem nicht die losen Handlungsfäden oder Charakterisierung der Figuren unterschlagen werden. Die Spannung dient nicht dem Selbstzweck, sondern dem Vertiefen der Personen. Bis zum Schluss, fast bis zur letzten Seite, geht der letzte finale Akt. Dem folgenden Leben der Hauptpersonen wird im Anschluss nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so dass man mit den Gedanken, die zum Schluss aufkommen, in Ruhe spielen kann, ohne sich von den Nachgeschichten ablenken lassen zu müssen. Zu den Charakteren selbst: Kirino gelingt es sehr gut, einen langsamen Einstieg ins Geschehen und in die Charaktere zu schaffen, so dass man ihre späteren Handlungen nachvollziehen kann. Ihre Gedanken über sich und andere werden ebenso beleuchtet wie die Sicht anderer auf diese Menschen. Zugleich beschränkt sich die Charakterisierung nicht auf die Hauptpersonen, sondern weitet sich auch auf die Nebenspieler aus, die nur am Rande vorkommen. Alle werden zwar zumeist immer durch eine persönliche Sicht des derzeitigen Handlungsträgers dargestellt, aber durch die guten Charakterisierungen kann man sich gut vorstellen, wie und warum die meisten Personen so denken und handeln, wie sie es tun. Den Orten ergeht es kläglicher. Die Autorin gönnt ihnen meistens nur einen kurzen Augenblick der Aufmerksamkeit, ehe sie sich wieder dem Seelenleben und den Meinungen der Handelnden zuwendet. Wird ein Ort wiederholt ins Geschehen eingebunden, so wird trotzdem nur ein kurzer Abriss gegeben, so dass man sich relativ frei vorstellen kann, wie die Umgebung aussieht. Außerdem charakterisiert Kirino die Örtlichkeiten hauptsächlich durch wertende Worte ohne präzise Angaben. Zum Schreibstil... er ist persönlich das größte Manko des Buches. Ich kann jetzt nicht beurteilen, inwiefern die Übersetzerin Annelie Ortmanns da die Schuld zuzuschreiben ist, aber die Personen sprechen überzeichnet und zickig, die Sätze sind zumeist kurz und simpel ohne größere Verständnisanforderungen zu lesen. Persönlich hat es mich an einen mittelmäßigen bis schlechten Fanfic-Autor erinnert. Schön ist aber, dass klärende Fußnoten zu japanischen Besonderheiten vorhanden sind, so dass sich das europäische Durchschnittsgehirn eher ein Bild machen kann, wie man sich gewisse Dinge vorzustellen hat.
Als Fazit muss ich leider feststellen: Wer auf Krimis steht, für den ist das Buch Durchschnittsware. Wer es mit seelischen und morbiden Abgründen hat, dem kann ich das Buch empfehlen, da man ohne Probleme die langweiligen Passagen (anfangs recht viele) überspringen kann, ohne handlungsmäßig große Einbußen fahren zu müssen. Rhetorikfans sollten allerdings tunlichst die Finger davon lassen, denen würden von dem Buch die Ohren (bzw. Augen) bluten.
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