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Autor: |
Alin Constantin |
Artikel erschienen in: |
FUNime Nr. 42, Seite 24, Juni 2005 |
Fast jeder, der mit Anime und Manga in Kontakt kommt, überlegt früher oder später, ob er oder sie Japanisch lernen soll. Doch viele sind durch die fremdartige Sprache und Schrift abgeschreckt und fangen gar nicht erst an.
Und wenn doch, so tauchen sehr früh Fragen auf, denn wie das Land voller Widersprüche ist, so hat auch die Sprache zumindest für Westliche schwer nachvollziehbare Aspekte: Warum lernen sie Tausende von komplizierten Schriftzeichen, wenn sie doch mit unserem nur 26 Buchstaben umfassenden Alphabet viel besser zurecht kämen? Wieso gibt es mehrere Zählarten? Wieso sprechen sie zueinander in der dritten Person? usw. usf. Auch ich stelle oft die Logik der japanischen Sprache in Frage, aber meist erinnere ich mich dann an die Worte meiner Lehrerin: Man darf nicht versuchen, Japanisch zu verstehen, man muss es so akzeptieren, wie es ist. Und in der Tat, diese Sprache ist nicht mit europäischen Sprachen zu vergleichen, daher sollte man den menschlichen Urtrieb, alles wissenschaftlich erklären zu wollen, unterdrücken, wenn man diese exotische Sprache lernen möchte. Das Treffen einer Entscheidung wird wesentlich erleichtert, wenn man eine Ahnung davon hat, was Japanisch überhaupt ist.
Die Sprache
Eines vorweg: Japanisch und Chinesisch sind wirklich zwei verschiedene Sprachen, lediglich die komplizierten Schriftzeichen (kanji) und die Aussprache einzelner Silben sind ähnlich oder gleich. Ein Japaner wird aber ein chinesisches Gespräch nie ohne entsprechende Kenntnisse verstehen und umgekehrt.
Wie oben schon erwähnt, haben die Vokabeln keinerlei Ähnlichkeit zu europäischen Sprachen (der Lernende sollte also vor allem Vokabeln pauken können), allerdings haben seit der Nachkriegszeit immer mehr Fremdwörter Einzug gefunden; in erster Linie natürlich aus Amerika, sprich US-Englisch (ge-mu – game, sakka- – soccer, ...), aber auch Deutsch (besonders medizinische Ausdrücke (Röntgen) oder auch das bekannte (Aru)Baito, das nicht Arbeit, sondern Nebenjob bedeutet) und andere Sprachen kann man hier und da hören.
Noch eine Anmerkung für richtiges Lesen: -masu und desu werden nicht -massu und dessu gesprochen, sondern ohne u, also -mass bzw. dess! Daraus erkennt ihr auch, dass s wie im Englischen gesprochen wird, also nicht stimmhaft, sondern wie Doppel-S.
Das japanische Alphabet besteht nicht aus Buchstaben, sondern aus Silben (also ma, ne, ko, usw). Einzig n und die Vokale gibt es auch alleinstehend. Bei Fremdwörtern wird dann je nach Klang ein Vokal – oft u und o – der mal mehr mal weniger deutlich ausgesprochen wird, eingefügt. Berlin wird so zu Berurin. Warum nicht Berulin? Das steht im nächsten Teil Die Schrift unter Romaji.
Der Satzbau gehört, so wie die Grammatik allgemein, zu den einfachen Dingen, denn er ist immer gleich: Subjekt, Objekt, Prädikat. Das Verb kommt also immer ans Ende, selbst bei Fragen und Nebensätzen.
Die Substantive haben kein Geschlecht und somit auch keinen Artikel. Der Hund ist schwarz und die Katze weiß sagt man auf Japanisch Inu wa kurokute neko wa shiroi desu. Wörtlich übersetzt heißt das: (Was) Hund (betrifft) (inu wa) ist schwarz und (was) Katze (betrifft) ist weiß. Die Deklination und die verschiedenen (deutschen) Fälle werden allein durch Partikel wiedergegeben. Wa zeigt also an, dass es sich um ein Subjekt handelt (Nominativ), inu ni wäre Dativ (dem Hund; wörtl. zum Hund), inu no Genitiv (des Hundes) und schließlich inu o Akkusativ (den Hund). Diese Konstruktion bleibt immer gleich, bei allen Nomen. Wer sich also schon mal gefragt hat, ob Artikel und Wortgeschlecht wirklich unverzichtbar sind, hat hier die Antwort! (Und die meisten werden wissen, dass es auch im Englischen kein Geschlecht und nur einen Artikel gibt.)
Und ob ihr es glaubt oder nicht, selbst mit Pluralformen wollen die Japaner (fast) nichts zu tun haben. Ki kann sowohl Baum als auch Bäume heißen. Es gibt aber Ausnahmen, bei den Pronomen und bei Menschen Pluralsuffixe, wie -tachi, -domo oder -ra (watashi – ich, watashitachi – wir), oder manchmal Anhängsel, die dasselbe Wort darstellen (kamigami – Götter besteht aus zwei Mal kami).
Ein Problem für Ausländer dürfte die Tatsache sein, dass das Subjekt oft weggelassen wird und man nur aus dem Kontext verstehen kann, was oder wer gemeint ist.
Das Verb besitzt ebenfalls keine Deklination, also man sagt ich sehen, du sehen, er sehen, etc. Eine Formänderung der Verben findet aber bei den Zeiten statt. Dazu fügt man die entsprechenden Suffixe zum Stamm. Beispiel: taberu – essen (Infinitiv), -ta – Vergangenheitssuffix, tabeta – aß.
Die Zeitformen, die normalerweise benutzt werden, sind folgende: Infinitiv, -masu-Form (höflich), -te-Form (Verlaufsform), Negation, Vergangenheit, Aufforderung, Konditional, und dazu noch Passiv, Kausativ, Potential und Imperativ. Vermisst da jemand das Futur? Nun, das wird mit dem Infinitiv wiedergegeben, der multifunktionell ist und auch die Gegenwartsform darstellen kann. Somit gestalten sich die japanischen Zeiten überschaubar (auch wenn’s vielleicht auf den ersten Blick nicht so scheinen mag) und man hat nicht mit etlichen unnötig komplizierten und sinnlosen Formen wie z.B. im Deutschen zu kämpfen.
Jetzt noch einige Aspekte, die Ausländern Probleme bereiten könnten, und mit denen auch ich Schwierigkeiten hatte bzw. habe:
Höflichkeitsformen
Während es im Deutschen praktisch nur du und Sie gibt, hat das Japanische mehrere sprachliche Ebenen, die je nach Situation und Sprechpartner Verwendung finden. Diese reichen von sehr bescheiden bis fast schon verehrend. Dazu kommt noch die höfliche Endung -masu, die man auf alle Formen anwenden kann. Natürlich gibt es auch den Slang, also die eher unhöfliche Sprache. Zum Leidwesen Lernender verändern sich Verben dadurch oft komplett. Schauen wir uns das wieder am Wort essen an:
Slang | kuu |
bescheiden (über sich) | itadaku |
höflichkeitsneutral | taberu |
(höflich: | tabemasu) |
ehrerbietig | meshiagaru |
noch ehrerbietiger | o-meshiagari ni naru |
...während wir einfach nur essen sagen...
Anfänger sollten am besten erst mal bei der einfacheren, höflichen Form bleiben. Unter Freunden kann man dann zur höflichkeitsneutralen Form (Infinitiv) greifen.
Substantive bekommen in den höflichen Formen die Präfixe go- oder o- hinzu (o-sushi). Bei so viel „Höflichkeit“ kann man verrückt werden...
Wo wir gerade bei synonymartigen Ausdrücken waren:
Synonyme
Klar, die gibt’s in jeder Sprache. Aber ich habe den Eindruck (ob richtig oder falsch sei jetzt dahingestellt), dass es besonders viele japanische Synonyme gibt. Dem einen oder anderen mögen beim Anime-Schauen die verschiedenen Übersetzungen der Pronomen ich und du aufgefallen sein. Hier ein paar mir bekannte du-Wörter: anata (höflich, kann alleine auch Liebling! bedeuten), anta (Zitat NGE-Asuka: Anta baka? – Bist du doof?; unhöflich), kimi (eher selten, unter Freunden), omae (unhöflich), kisama (oft in Samurai-Filmen/-Anime zu hören; sehr unhöflich), temee (sehr unhöflich), etc. Die beiden letzten Ausdrücke würde man im Deutschen wohl oft auch mit einem wütenden „Du Arsch!“ wiedergeben.
Ganz so schlimm ist es mit gewöhnlichen Nomen natürlich nicht, aber auch da findet man nicht selten mehr als zwei Synonyme pro Bedeutung.
Zählen
Eins, zwei, drei, usw..., mehr brauchen wir nicht. Im Japanischen gibt es allerdings mehrere Zählweisen, je nachdem, was man zählt. Ichi, ni, san... werden die meisten kennen, etwa aus dem Karate-Unterricht. Dies ist die chinesische Art. Es gibt auch eine japanische: hitotsu, futatsu, mittsu... Und dann viele weitere mit verschiedenen Endungen (und chinesischem Stamm): Stück und runde Dinge zählt man mit -ko, also ikko, niko, sanko..., lange, dünne Dinge -hon, Menschen -nin (ab 3), kleine Tiere -hiki, große Tiere -to, Häuser -ken, usw. usf.
Ich weiß, extrem verwirrend...
Zweite und dritte Person
Du und er/sie werden eher selten benutzt, stattdessen sagt man immer den Namen oder der Mensch dort oder Ähnliches. Für uns sehr gewöhnungsbedürftig, da wir bei einem Gespräch das Gefühl haben, über jemand anderes zu sprechen (statt Akira, magst du Bücher? sagen wir also Mag Akira Bücher?). Wie schon oben erwähnt, wird das Subjekt aber auch oft ganz weggelassen.
Wortakzent
Es gibt auch Wörter, die, abhängig davon, auf welche Silbe man den Akzent setzt, eine andere Bedeutung haben. Zwei Beispiele:
1. hashi – Brücke, hashi – Eßstäbchen
2. ame – Regen, ame – Bonbon
Dialekte
Der Japanischschüler hat normalerweise wenig damit zu tun, ich wollte diesen Aspekt aber nicht unerwähnt lassen. In Japan gibt es viele Dialekte, manche mehr, manche weniger verschieden als Hoch-Japanisch. Der bekannteste dürfte Kansai sein (man denke an Heiji aus Detektiv Conan).
Verschiedene Ausdrücke
Manchmal machen es sich (oder eher uns) die Japaner unnötig schwer, wie wir es mittlerweile wissen. Es gibt Ausdrücke, die aus komplizierten Wortkombinationen bestehen.
Als Erstes fällt mir das Verb müssen ein. Das gibt es an sich nicht, sondern wird durch eine spezielle Formel gebildet. Diese lautet -nakereba narimasen (bzw. neutral naranai), wörtlich wenn nicht gemacht wird, wird es nicht. Ich muss vergessen sagt man wasurenakereba narimasen. Auseinandergenommen besteht das aus der negativen Konditionalform des Verbs wasureru (Negation – wasurenai), also vergessen, und der negativen Höflichkeitsform des Verbs naru, also werden.
Oder Ausdrücke, die keine genaue Übersetzung haben und im Deutschen ganz anders wiedergegeben werden, wie -te shimau (shimau drückt hier lediglich das Bedauern aus) oder (it)-te kuru (ich gehe und komme, könnte man vielleicht mit ich gehe schnell dorthin übersetzen). Solche Anwendungen gehören zur alltäglichen Sprache.
Soviel zur japanischen Sprache, nächstes Mal schauen wir uns die japanische Schrift an!
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