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Garage Kit – Teil 1

oder die Geschichte von obskuren Plastikteilen

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Autor: Christof Weber
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 3, Seite 17, April 1998

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Irgendwann ist es wohl bei jedem Fan einmal soweit. Neugierig gemacht von endlos vielen Fotos wunderschöner Figuren in der "Newtype" oder "Hobby Japan" hielt er es nicht mehr aus und bestellte sich ebenfalls so ein seltsames, teures Plastikteil: das Garagekit.

Und da steht er nun, der Otaku, und hat ein paar Stücke Kunstharz oder PVC in Händen, und ein Foto, wie das Ganze fertig aussehen soll. Leider ist der Weg von den Einzelteilen zum fertigen Kit ziemlich lang, und deshalb soll der folgende Artikel ihn mit ein paar Tips erleichtern.

Zuerst einmal, was braucht man an Werkzeug: Farben, und zwar am besten lösemittelfreie Mattfarben, das schont die Umwelt und die eigene Gesundheit. Empfehlenswert sind Modellbaufarben von Tamiya oder Gunze Sangyo.

Pinsel, ein breiter, weicher Borstenpinsel und viele kleine, feine Pinsel. Ein Airbrush erleichtert viele Arbeiten, ist aber für die ersten Versuche nicht unbedingt nötig. Spätestens ab 3 Kits pro Jahr lohnt sich ein solches Gerät allerdings.

Klebstoff, bewährt haben sich Cyanacrylat-Superkleber und Zweikomponentenkleber, z.B. "UHU sofortfest plus".

Spachtel, zum Reparieren, Fugenfüllen, Glätten, gibt es in großer Auswahl von Tamiya in Modellbaugeschäften. Hier bekommt man auch das nötige Schleifpapier in den Körnungen 200 - 1000.

Diverser Kleinkram, der das Leben leichter macht: Ein sehr scharfes Modellbaumesser, eine Zange, ein Seitenschneider, eine Pinzette, ein kleiner Bohrer, ein Haarfön, kurze Drahtstücke, Gips, mehrere Schüsseln mit Wasser, Grundierspray, z.B. "Revell Basic", Gummihandschuhe.

Alles da? Dann können wir loslegen. Nach dem Auspacken sollte das Kit auf fehlende Teile oder Transportschäden geprüft werden, vor allem Finger oder Haarspitzen brechen leider häufig ab, lassen sich aber meist problemlos wieder ankleben. Während der Inspektion kann man sich schon einmal überlegen, wie das Kit am günstigsten zusammenzubauen ist. Viele Kits sind nach dem Schema Kopf-Rumpf-Arme-Beine (evtl. noch Hände und Füße), sowie Haare aufgeteilt. Hände und Arme bzw. Füße und Beine sind problemlos nach dem Zusammenkleben als Einheit bemalbar, klebt man aber die Beine zuerst an den Rumpf, stellt man oft fest, daß sich einige Stellen nicht mehr zum Bemalen erreichen lassen. Ebenso muß man häufig das Gesicht einer Figur bemalen, bevor die Haare angesetzt werden können, da Haarsträhnen sonst Teile des Gesichts verdecken würden.

Bevor geklebt oder bemalt wird, muß das ganze Kit mit einer alten Zahnbürste in warmem Seifenwasser gründlich gereinigt werden, um Reste von Trennmittel zu entfernen. Auf diesen Trennmitteln haftet kein Klebstoff und keine Farbe, also wirklich gründlich putzen!

Gußgrate entfernt man vor dem Zusammenkleben sorgfältig mittels Seitenschneider und Schleifpapier. Beim anschließenden probeweisen Zusammensetzen der Teile wird man feststellen, daß sie nicht exakt passen. Das ist bei Garage Kits normal, und Teil des Bastelspaßes. Vinyl-Kits (hohle Bauteile aus PVC) kann man mit dem Fön erwärmen, verbiegen bis sie passen, und in kaltem Wasser erhärten lassen, bei Resin Kits (massive Teile aus Epoxidharz) hilft nur Spachteln und Schleifen. Spachtel wird mit Zahnstochern oder einem weichen Messer im Überschuß aufgetragen und nach mindestens 24 Stunden Aushärtung naß abgeschliffen, angefangen mit Korn-200-Papier für die groben Sachen bis hinauf zu 1000er Korn zum abschließenden Polieren.

Bei Resin-Kits empfiehlt es sich auch, die Klebestellen mit kurzen Drahtstiften zu verstärken, da die Teile oft erstaunlich schwer sind und nur sehr kleine Klebestellen haben. Man bohrt ins Zentrum der Klebestellen ein ca. 5 mm tiefes Loch und knipst von einer Büroklammer ca. 1 cm Draht ab, den man beim Kleben mit hineinsteckt. Bei den hohlen und leichten Vinyl-Kits ist das selten nötig, wenn doch, dann kann man die Teile mit Gips ausgießen und nach der Aushärtung hier die Drähte einsetzen. Das "Ausgipsen" empfiehlt sich immer bei den Beinen einer Vinyl-Kit-Figur, da es dem Kit einen sichereren Stand verleiht (und es durch das hohe Gewicht auch viel edler wirkt). Nach dem Kleben werden noch vorhandene Fugen mit Spachtel geglättet; bei Zweikomponentenkleber kann man diesen auch im Überschuß auf die Klebestelle streichen, den herausquellenden Kleber stehenlassen und nach 48 Stunden naß abschleifen.

Sind alle Teile soweit wie möglich verklebt, glattgeschliffen und gesäubert, geht es ans Bemalen. Hierbei sind Gummihandschuhe praktisch, sie schützen nicht nur die Hände vor der Farbe, sondern auch das Kit vor fettigen Fingerabdrücken, an denen die Farbe nicht haftet.

Generell sollte jedes Kit grundiert werden. Eine spezielle Grundierfarbe ist nicht unbedingt nötig, aber von Vorteil, da sie mit fugenfüllenden Eigenschaften und einer saugfähigen Oberfläche einen idealen Untergrund für die weitere Bemalung bietet. Aufpassen muß man hierbei allerdings auf eine sehr dünne Sprühschicht, sonst werden kleine Details zugekleistert. Lieber zweimal ganz dünn sprühen als einmal dick draufschütten (gilt auch für alle anderen Bemalungen)!

Wer sich einmal seine eigene Haut und Kleidung ansieht, wird feststellen, daß sie höchst selten hochglänzend ist, und sich auch nicht auf Hochglanz polieren läßt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (Augen, Mund) sind deshalb nur matte Farben für Figurenkits geeignet. Die zum Bemalen verwandten Modellbaufarben sind im "Urzustand" direkt aus dem Glas kaum brauchbar, da sie viel zu dickflüssig sind und der Farbton auch nur selten genau paßt. Mischen sollte man Farben wenn irgend möglich in hellem Tageslicht ohne zusätzliche Neon- oder Halogenbeleuchtung. Die künstlichen Lichtquellen führen zu Verfälschungen der Farbwahrnehmung und zu einer unschönen Überraschung, wenn man das Kit anschließend bei Tageslicht betrachtet. Zu beachten ist außerdem, daß praktisch alle Farbtöne bis auf Weiß und Schwarz beim Trocknen nachdunkeln, also empfiehlt es sich eher zu helle Farben anzumischen. Das genaue Trocknungsverhalten läßt sich leider nicht voraussagen, hier hilft nur Erfahrung.

Von der Konsistenz her kann man die Farben soweit verdünnen, bis sie etwas dickflüssiger als Wasser sind, bei Airbrushes eventuell sogar noch mehr. Große Flächen werden mit einem breiten, weichen Pinsel bemalt, der nicht mehr vor Farbe triefen soll. Nach der ersten Schicht wird die nächste um 90 Grad versetzt aufgetragen, also erste Schicht horizontal pinseln, zweite senkrecht (oder umgekehrt). Zwischen jeder Schicht muß man der Farbe genug Zeit zum Trocknen geben, sonst kann es zu häßlichen Schlieren kommen, wenn die frische Farbe die alte anlöst.

Beim Airbrushen geht man genauso vor. Für feine Details bis runter zu 1 Millimeter hat es sich bewährt, die Farbe nur wenig zu verdünnen, um nicht durch verlaufende Farbe die Umgebung zu verschmieren. Etwas Übung und eine sehr ruhige Hand sind allerdings schon erforderlich, man nimmt sehr wenig Farbe auf den Pinsel und sollte ihn nach jedem Farbauftrag gründlich reinigen, sonst schmiert man eingetrocknete Farbbröckchen aus dem Pinsel auf das Kit. Nach etwas Training sind feine Linien bis zu einem halben Millimeter kein Problem mehr. Wer feine Details airbrushen will, muß mit Flüssigmasken arbeiten, die nicht zu lackierende Areale abdecken. Als Masken bietet z.B. Revell seine "Liquid Mask" an, genausogut eignet sich Latexmilch, die deutlich billiger ist (bekommt man in Geschäften für Live-Rollenspiel-Zubehör). Die Flüssigkeit wird mit einem feinen Pinsel aufgetragen und härtet zu einem elastischen klaren Film aus, der sich nach der Trocknung mit einer Pinzette spurenlos vom Modell abziehen läßt.

Noch feinere Details erfordern dann allerdings einige zusätzliche Tricks, genauso wie gelungene Schattierungen oder hübsche Spezialeffekte wie Ruß-Spuren, Schmutz oder Schweiß, worauf in der nächsten Ausgabe eingegangen wird.

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