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Zatoichi – Der blinde Samurai

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Autor: Bernhard Hübscher
Artikel erschienen in: FUNime Nr. 38, Seite 40, Juli 2004

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Kino-Plakat Der Name des Films ist Programm und reiht sich in eine lange Reihe von früheren Werken ein. Und doch kann man diese Interpretation des alten Themas nicht gerade normal oder gewöhnlich nennen.

Die Handlung des Films ist in ihrer Vorhersehbarkeit und einfachen Gliederung schon fast eine Parodie an sich. Wie in unzähligen Samuraifilmen spielt der Film in einer kleinen Stadt, die von zwei Gangsterbanden tyrannisiert wird, die um die Vorherrschaft kämpfen. In diese Stadt kommen nun einige Fremde – ein arbeitsloser Samurai, der sich einer der Gruppen anschließt und diese zum Sieg führt, eine Gruppe von Leuten, die Rache für frühere Verbrechen nehmen wollen, und der Held, der sich auf die Seite des einfachen Volkes stellt und für ein Happy End sorgt. Da ist das Ende schon sehr absehbar: Eine Gruppe unterliegt im Kampf und die siegreichen Yakuza werden vom einsamen Helden im Hintergrund hinweggemetzelt. Natürlich darf am Schluß das Freudenfest des Dorfes mit viel Tanz nicht fehlen. So haben es Fans des Genres in der Zatoichi-Reihe schon unzählige Male gesehen. An diese Serie knüpft Takeshi „Beat“ Kitano mit seinem neuesten Film an.

Zatoichi Im Jahre 1962 erblickte die Zatoichi-Reihe als eine der erfolgreichsten Serien japanischen Filmschaffens das Licht der Welt. Im Mittelpunkt steht der blinde Masseur Ichi (später nur noch Zatoichi genannt), der durch ein Japan der frühen Jahre des 19. Jahrhunderts wandert, als sich der Ruin des Tokogawa-Regimes bereits langsam abzeichnete und der ungelöste Konflikt zwischen Ständestaat und Bürgertum zu brodeln begann. Selten geht er seinem Beruf nach, meistens zieht es ihn in die Spielhallen oder er muß sich mit marodierenden Samurais oder gewissenlosen Yakuza herumschlagen. KATSU Shintaro verlieh Zatoichi sein Gesicht und spielte den unscheinbaren Helden in 26 Kinofilmen und über 100 Folgen einer TV-Serie. Der Erfolg machte die Serie in ganz Asien, aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Europa bekannt. 1997 starb KATSU Shintaro und damit endete die Serie. Oder doch nicht?

Zatoichi Takeshi „Beat“ Kitano dürfte vielen von uns ein Begriff sein. Er gewann großen Ruhm durch seine Regie bei Hana-Bi oder Dolls, beeindruckte als Schauspieler in Battle Royale oder veräppelte arme Japaner in der „Spielshow“ Takeshi's Castle. Gerade an letzteres muß man immer wieder denken, wenn man seinen neuesten Film anschaut. Das beginnt mit dem ersten Blick auf den blinden Wanderer. Seine blondierten Haare und die Mischung aus historischer und moderner Kleidung passen so gar nicht in ein Historiendrama.

Zatoichi Der Film beginnt mit einer ruhigen Szene. Der blinde Masseur sitzt auf einem Baumstamm am Wegesrand, erschöpft von seiner Wanderung. Die Gesichtszüge zucken leicht, scheinbar nimmt er seine Umgebung überhaupt nicht war. Da erscheint eine Gruppe von Handlangern, die den Auftrag haben, Ichi zu erledigen. Sie lassen ihm sogar seinen Stock von einem kleinen Jungen wegnehmen, so daß der Blinde völlig wehrlos wirkt. Plötzlich ist es mit der Ruhe vorbei, nur für wenige Sekunden flammt brutale Gewalt auf und der so harmlos wirkende hat die Bedrohung hinweggemetztelt. Befremdlich wirkt nur, daß die Übermacht in typischer Weise einzeln gegen den Gegner vorgeht oder daß einer der Kämpfer beim Ziehen seines Schwertes seinen Nebenmann verletzt.

Zatoichi Diese erste Szene gibt einen Ausblick auf den ganzen Film. Immer wieder lustig, ja surreal merkwürdig, und doch in den Kämpfen eindringlich und authentisch. Meist ruhig, nur unterbrochen von plötzlich aufflackernder Gewalt. Bemüht an der historischen Realität vorbei und doch immer der historischen Realität bewußt. Vor allem die Musik vereinigt sich mit den Bildern und schafft eine ganz eigene Stimmung. Es ist eine ungewöhnliche Mischung aus traditioneller japanischer Musik, manchmal vermischt mit leisen Streicherklängen oder dezenten Blasinstrumenten. Meistens wird die Musik von zahlreichen Trommeln, Schlaginstrumenten und Rasseln bestimmt. Sehenswert ist die Vermischung der geschlagenen Instrumente mit den Bildern, wenn sich die Figuren im Rhythmus der Klänge bewegen und die Töne ihrer Bewegungen zusammen mit weiteren Hintergrundgeräuschen wie Regen oder Feuer eine Kakophonie hoher Eindringlichkeit bildet. Die Bewegungen der Charaktere zur Musik erklärt sich beim schließenden Dorffest. Dort erkennt man nämlich, daß viele der Komparsen und Nebencharaktere zur modernen japanischen Stepformation „The Stripes“ gehören – Riverdance läßt grüßen. Es ergibt sich ein gefühlvolles Gesamtkunstwerk, auch getragen von der unglaublichen Dämlichkeit der Protagonisten. Die meisten Charaktere des Films wirken geistig etwas unterbelichtet, allen voran der Hauptcharakter, der meistens einen betont kindlichen, ja fast debilen Eindruck vermittelt. Da setzen der Dorfdepp, der in Windeln mit einer Lanze um das Haus rennt oder der als Frau verkleidete androgyne Junge, der gar nicht mehr von seinen Kleidern lassen will, nur Akzente.

Zatoichi Negativ muß man vor allem die Computereffekte erwähnen, die sehr künstlich wirken. Die Blutfontänen und fliegenden Körperteile ist man ja noch gewohnt, gehören sie doch zu dem Genre genauso wie die Schwerter, die die Verletzungen verursachen. Dem westlichen Zuschauer kommen sie übertrieben vor, doch handelt es sich hier schlichtweg um eine Anspielung an die Effekte und Verdeutlichungen des klassischen japanischen Theaters, wo die Blutfontänen mit roten Stoffen oder Papier angedeutet worden sind. Weniger verständlich ist, daß man häufiger CG-Artefakte sieht oder daß das Auge das eigentlich durch den fremden Körper fahrende Schwert komplett vor dem Korpus wedeln sieht. Auch an die Handlung oder irgendeine mahnende Aussage darf man nicht zu viele Ansprüche stellen. Der Film will den Zuschauer unterhalten und genau das gelingt ihm meiner Meinung nach auch sehr gut.

Zatoichi Ein letztes Wort zur deutschen Synchronisation. Hier findet man keine auffälligen Schwächen. Die Stimmen passen zu den Charakteren und die Synchronsprecher bringen die Emotionen gut herüber, was bei den oft surrealen Szenen sicher nicht einfach ist. Hier und da könnte man es vielleicht etwas besser machen, doch der gesamte Eindruck ist in sich stimmig und durchaus auf hohem Niveau.

Zusammengefaßt kann ich dem Film eine gute Empfehlung aussprechen. Er ist, was bei seinem Thema niemanden verwundern sollte, relativ gewalttätig, doch in seiner Gesamtheit einerseits gute Unterhaltung und andererseits auch ein Kunstwerk. So hat es zumindest die Jury auf den Filmfestspielen von Venedig gesehen, wo der Film für seine Regie ausgezeichnet wurde und auch den Zuschauerpreis gewann. Zur Zeit läuft Zatoichi in den deutschen Kinos.

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Zatoichi – Der blinde Samurai

   
Regie, Drehbuch und Hauptdarsteller: KITANO Takeshi
Deutsche Version: Concorde Filmverleih
Laufzeit: ca. 110 Min.
Altersfreigabe: FSK 16

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