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Autor: |
Fan-Yi Lam |
Artikel erschienen in: |
FUNime Nr. 23, Seite 15, Oktober 2001 |
Die bedeutende Geschichte des Prinzen Genji wurde um das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung von Murasaki, genannt Shikibu, geschrieben, einer Hofdame der Kaiserin von Japan.
Genji, "der Strahlende", hat es nicht leicht: Als Kind einer niedrigen Nebenfrau des japanischen Kaisers und mit einem unheilvollem Schicksalsspruch behaftet, ist der schöne, aber schwache Prinz den Intrigen des Kaiserhofes nicht gewachsen. Er flüchtet sich in zahlreiche Affären und findet Freude und Liebe, Schmerz und Trauer in einer dekadenten Welt voller Rituale und Formalitäten.
Genji Monogatari, das bedeutendste Werk der Heian-Periode (794-1192), ist nicht nur eines der wichtigsten literarischen Werke der Weltgeschichte, es ist vielleicht auch der erste "moderne Roman" (und das im 10. Jahrhundert!), wie wir ihn heute kennen: Sowohl Struktur, Erzählweise als auch Personendarstellung könnten direkt aus der Neuzeit stammen. Insgesamt kann man die "Geschichte von Genji" in 54 Kapiteln, von denen die ersten 41 allein 1060 Seiten - in übersetzter Form - beanspruchen und 80 (!) handlungstreibende Personen vorweisen, verfolgen. Genji ist zwar "wunderschön, elegant und gebildet", für seine gerissene und intrigenhafte Stiefmutter aber eine allzuleichte Beute. Der leidenschaftliche und emotionale Prinz läßt sich von seinen Gefühlen treiben und findet die Höhen und Tiefen des Lebens. Genji ist nicht der starke, mutige Prinz, wie manche ihn gern hätten. Nicht nur sein Aussehen, auch sein Benehmen und seine Denkweise lassen ihn sehr androgyn erscheinen. Aber selbst gute Freunde und die Flucht in die Arme von 17 Frauen (exklusive namentlich nicht genannter!) können ihm nicht helfen, wirkliches Glück zu erlangen. Immer stärker stürzt er sich in seine eigene Welt. Trotzdem läßt ihn die Realität, die ihm so zuwider ist, nicht los. Um zu überleben, müßte ihm jedoch der unmögliche Balanceakt zwischen den Pflichten der Öffentlichkeit und dem individuellen Glück gelingen
Wehmut und Resignation sind der Grundtenor dieses Werkes, eine sanfte Melancholie ist allgegenwärtig. Es herrschen die Pinselschwinger und Bürokraten, die sich lieber um ihre Titel und ausufernde Feste kümmern als um das kränkelnde Land. Es ist eine Zeit des Umbruchs: Die aus Kara (China) importierten Gebräuche und Religionen sind dabei, die gesamte Gesellschaft völlig zu verändern: Das Patriarchat wurde eingeführt, der barbarische Yamamoto-Staat gibt sich ganz zivilisiert. Jeder am Hofe ist nun dem strengen Blick der Gesellschaft ausgesetzt und wer sich nicht profilieren kann, wird schnell nicht nur seine Ämter los. Am kaiserlichem Hof herrscht die reine Anarchie.
Und mittendrin die Autorin Shikibu Murasaki, selbst eine Außenseiterin. Über ihre Person weiß man kaum etwas. Weder sind ihre Lebensdaten noch ihr wirklicher Name (Murasaki ist der Name der Hauptheldin) bekannt. Selbst in ihrem Tagebuch gibt sie nur wenig über sich preis. Sie selbst schreibt: "Man sagt mir, daß ich höflich und freundlich und ganz anders sei, als man von mir geglaubt hatte. Ich weiß, man verachtet mich, aber ich habe mich daran gewöhnt und sage mir: Mein Wesen ist eben so, wie es ist.". - Vermutlich hat sie von 1002 bis 1015 an dem Roman gearbeitet. Als gebildete Frau ihrer Zeit war sie eine Zielscheibe des Spottes ihrer leichtlebigen Zeitgenossinnen. Ihre hervorragenden Kenntnisse der chinesischen Sprache und Kultur waren sogar ein Tabubruch! Noch dazu war sie eine (stille) Kritikerin der damaligen Verhältnisse. Nicht selten klagt Genji über die Scheinheiligkeit der Höflinge und den Zwang, sich verstellen zu müssen. Nichtsdestotrotz fanden sich nach ihr immer mehr Frauen, die, ein Beispiel an ihr nehmend, selbst Prosawerke veröffentlichten. Während die an die Kanji (chinesische Schriftzeichen) gebundenen Männer auf der Lyrik festsaßen, konnte sich so innerhalb der Frauengesellschaft, die die modernen, flexibleren Kana (phonetische Silbenschrift) verwendete, eine regelrechte Romantradition (über 200 Werke allein in der Heian-Periode!) bilden. Murasakis Genji blieb dabei das wegweisende Werk. Sogar in die Männerdomäne des No-Spieles ging sein Einfluß ein, und auch die frühbürgerlichen Schriftsteller Japans im 17./18. Jahrhundert ließen sich von ihm inspirieren. Und selbst heute noch findet er in der Kulturindustrie ausgiebig Verwendung. Nur während der ultrakonservativ-nationalistischen Phase war das Werk als sittenlos und unmännlich verpönt worden. Denn Genji ist alles andere als der todesmutige Krieger, der für seinen Tenno in den Tod gehen würde.
Da das Werk geradezu ein Shoujo-Manga ohne Bilder sein könnte, gibt es natürlich eine Unzahl an eben solchen Adaptionen. Eines davon ist sogar - während der ersten Manga-Welle um 1990 - in Deutschland herausgekommen: Der Manga von WAKI Yamato aus den 80er Jahren ist hier 1992 in drei Bänden erschienen (womit etwa das erste Kapitel des Romans abgedeckt ist). Mit Schutzumschlag, rechts-links-Leserichtung, absolut sauberem Druck und wohl einer der besten Übersetzungen, die ein Manga je erhalten hat. Leider ist er nirgendwo mehr erhältlich. Wer aber unbedingt noch etwas von diesem Meisterwerk erhaschen will, dem bleibt nur die Suche in Antiquariaten, Flohmärkten oder das (Männer-)Klo der Japanologie der FU Berlin zu besuchen (kein Scherz!). Ansonsten muß man sich mit der deutschen Roman-Übersetzung trösten, wenn man an diese herankommt.
Genji als Manga, Roman und Anime: |
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Manga: |
Genji Monogatari |
Deutsche Ausgabe des Manga von YAMATO Waki, 1992 erschienen beim Okawa Verlag, |
inzwischen vergriffen. |
ISBN: |
Band 1: 3-929050-20-X |
Band 2: 3-929050-21-8 |
Band 3: 3-929050-22-6 |
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Roman: |
Die Geschichte vom Prinzen Genji (2 Bände) |
Die deutsche Übersetzung des Originalwerks von Shikibu Murasaki. |
Taschenbuch, 611 Seiten, Insel Verlag, Frankfurt/Main |
Erscheinungsdatum: 1995 |
ISBN: 3-458333-59-2 |
Preis: 34,79 DM |
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Anime: |
The Tale of Genji |
108 Min., engl. sub, VHS NTSC |
Preis: $16.99 (früher $29.98) |
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