 |
Autor: |
Taro Rehrl |
Artikel erschienen in: |
FUNime Nr. 42, Seite 45, Juni 2005 |
NAKAZAWA Kenjis Kriegsepos nimmt in der Manga-Literatur durch seinen autobiographischen Charakter und durch die Thematisierung des Atombombenabwurfs auf Hiroshima einen besonderen Platz ein. Gleichzeitig persönlich und weltoffen, fand die Geschichte auch im Westen früh Beachtung.
Nicht Akira und nicht Dragon Ball, sondern Barfuß durch Hiroshima war der erste in Deutschland veröffentlichte Manga, damals noch im Rowohlt-Verlag. Er wurde damals wenig beachtet, aber nun, da japanische Comics ein wenig salonfähig geworden sind, faßte sich Carlsen ein Herz und legte das Werk neu auf.
Da es aber offenbar immer noch ein riskantes Geschäft ist, mußte man sich entsprechend absichern: ganze 12 Euro kostet ein Band, dafür ist das Format größer als üblich und die Bände haben alle etwas mehr als 250 Seiten. Aber die Zeiten, in denen selbst als literarisch anzusehende Comics zu einem erschwinglichen Preis erhältlich sein werden, sind definitiv noch nicht gekommen.
Der Junge Gen überlebt nur mit Glück die verheerende Atombombenexplosion. Als er sich aufrappelt, breitet sich vor seinen Augen das nackte Grauen aus. Trümmer und Leichen, wohin er sieht und Überlebende, denen die Haut in Fetzen vom Körper hängt. Verzweifelt macht er sich auf die Suche nach seiner Familie und muß schließlich mit ansehen, wie sein Vater, seine Schwester und sein jüngerer Bruder Shinji in den Flammen des elterlichen Hauses ums Leben kommen.
Zusammen mit seiner Mutter und seiner neugeborenen kleinen Schwester versucht er, im Chaos der zerstörten Stadt über die Runden zu kommen. Doch in der Not ist sich jeder selbst der Nächste und die Suche nach Lebensmitteln und Unterkunft wird zu einer entbehrungsreichen Odyssee.
Doch der Frechdachs Gen ist hart im Nehmen und zeichnet sich durch ein optimistisches Wesen aus, weshalb er nicht nur seiner Familie, sondern auch vielen anderen Menschen, denen er unterwegs begegnet, eine große Hilfe ist.
Die Geschichte ist wie ihr Held Gen von Optimismus und der Hoffnung nach besseren Zeiten geprägt. Und das, obwohl die Grausamkeiten des Krieges in aller Deutlichkeit gezeigt werden. Aber Gen zeigt sich gegenüber allen Schrecken unerschütterlich. Gleichzeitig gibt er ein Vorbild für seine Mitmenschen ab, im Krieg nicht selbstsüchtig auf Nächstenliebe zu verzichten. Denn das Bild von der japanischen Gesellschaft, das Nakazawa zeichnet, ist ein überaus häßliches. Das ist bemerkenswert, gerade in einem älteren Werk, weil das Thema der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki geradezu einlädt, Japan in die Opferrolle zu manövrieren. Stattdessen wird der im Krieg vorherrschende Militarismus in Japan nach allen Regeln der Kunst gegeißelt. Gens Mitbürger sind zum großen Teil undankbare Duckmäuser, deren Autoritätshörigkeit nur noch durch ihren Egoismus übertroffen wird. Noch vor der Bombenexplosion wird Gens Familie wegen ihrer liberalen Haltung das Leben zur Hölle gemacht. Das macht den Manga zu einem künstlerischen Aufbegehren gegen das auch heute noch aktuelle Problem der unbefriedigenden japanischen Vergangenheitsbewältigung.
Der Zeichenstil wirkt dagegen sicherlich antiquiert und ist wohl nicht jedermanns Sache. Daran sollte man sich aber nicht stören, denn die Geschichte ist flüssig und angenehm zu lesen. Der erste Band beinhaltet ein Vorwort des Maus-Autors Art Spiegelman, das sich von manch anderen Vorworten zu feuilleton-kompatiblen Manga angenehm unterscheidet, da auf die sonst üblichen unnötig verdrechselten Satzkonstruktionen verzichtet wird. In den folgenden Bänden ist zudem noch ein interessantes Interview mit dem Autor abgedruckt, das der amerikanische Journalist Alan Gleason für das Fachblatt The Comics Journal geführt hat.
Barfuß durch Hiroshima
|
Mangaka: |
NAKAZAWA Kenji |
Verlag: |
Carlsen Comics |
Band 1: |
ISBN 3-551-77501-X |
Band 2: |
ISBN 3-551-77502-8 |
Band 3: |
ISBN 3-551-77503-6 |
Preis: |
je Band 12 Euro |
|
|
|
|
|
|