Autor: |
Livius Halupczok |
Artikel erschienen in: |
FUNime Nr. 3, Seite 10, April 1998 |
Anfang Februar lud All Nippon Airways (ANA) wieder einmal zu einer
exklusiven Animevorführung in Frankfurt und Düsseldorf. Im Ballsaal
des Frankfurter Hotel Intercontinental präsentierte man zum ersten
Mal in Deutschland den Kinofilm Jungle Emperor Leo von
1997. Er basiert auf der Fernsehserie Jungle Taitei von
1965, hierzulande besser bekannt als Kimba der weiße Löwe.
Der Schöpfer der Serie war der 1989 verstorbene, in Japan als „Gott
des Manga“ hoch verehrte Osamu Tezuka. Das Publikum in Frankfurt
bestand zumeist aus japanischen Familien mit Kindern, es waren nur etwa
zehn Deutsche unter den Gästen. Natürlich wurde die japanische
Originalfassung ohne Untertitel gezeigt.
Die Geschichte beginnt mit der Geburt Leos (so heißt Kimba im Original)
Sohn Lune und Tochter Lukio, einem großen Ereignis für die Tiere des
Dschungels. Als Lune eines Tages beim Spielen unter einem Ast begraben
wird, befreit ihn der Wildhüter Higeoyaji. Diese erste Begegnung mit
dem Menschen führt bei Lune zu einer immer größer werdenden Schwärmerei
für die Welt der Menschen. Lune gelangt später tatsächlich dorthin,
muß jedoch lernen, daß nicht alle Menschen freundlich zu Tieren sind.
Derweil hat der skrupellose Egg Ham eine zerstörerische Expedition
nach dem geheimnisvollen Mondstein, Quelle einer ungeheuren Energie,
gestartet. Leo muß sich dem Mörder seines Vaters entgegenstellen,
doch zur gleichen Zeit werden die Tiere des Dschungels von einer
tödlichen Krankheit befallen.
Trotz des heute etwas antiquiert wirkenden Charakterdesigns präsentiert
sich Jungle Emperor Leo technisch voll auf der Höhe der Zeit.
Bereits in der Anfangssequenz wird umfangreiche Computergraphik demonstriert,
vielleicht etwas überdeutlich. Glücklicherweise wird sie danach deutlich
dezenter eingesetzt und beeindruckt besonders mit der realistischen
Darstellung von Schneewehen in einem Sturm.
Eigentlich wollte ANA Mononoke Hime zeigen, auch die
Eintrittskarten waren dementsprechend bedruckt. Doch Buena Vista,
Teil des Disney Konzerns und seit einigen Monaten Inhaber der
internationalen Vertriebsrechte fast aller Studio Ghibli Filme,
sperrte sich gegen eine Aufführung vor der Berlinale, selbst bei
dieser nichtöffentlichen Veranstaltung. Die Wahl von Jungle
Emperor Leo als Ersatzfilm lenkt das Augenmerk deshalb auf
den Streit um Disneys König der Löwen: Bei diesem
1994 produzierten Film sind deutliche Ähnlichkeiten zu Tezukas
Jungle Taitei zu erkennen. Diese Serie lief Ende der
Sechziger Jahre in veränderter Form als Kimba the white Lion in den USA.
Tezuka Production erhob zwar offiziell keine Plagiatsvorwürfe, doch als
Disney verkündete, man kenne dort weder Jungle Taitei, noch
sei man davon beeinflußt gewesen, faßten das viele Japaner als
Beleidigung des Andenkens an Osamu Tezuka auf. Machiko Satonaka,
selbst Zeichnerin, bat stellvertretend für die japanischen Fans in
einem Brief an Buena Vista um die Nennung Tezukas im Vorspann von
König der Löwen. Fast fünfhundert Personen hatten diesen
Brief unterzeichnet, darunter viele aus der Manga- und Animebranche.
Die Zahl der Unterschriften stieg noch viel weiter. Disney blieb von
der Aktion unbeeindruckt und hat deshalb in Japan und bei westlichen
Fans viel Sympathie verloren. Der aktuelle Film Jungle Emperor
Leo ist als Reaktion auf den Streit quasi als Gegenkönig entstanden.
Tezuka selbst war zeitlebens ein großer Bewunderer von Walt Disney
und übernahm in seinen Werken Disneys übergroß gezeichnete Augen.
Dieser Zeichenstil wurde rasch von anderen Japanern aufgegriffen
und legte den Grundstein für das heute bekannte Charakterdesign.
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