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Autor: |
Stefan N. |
Artikel erschienen in: |
FUNime Nr. 40, Seite 25, Dezember 2004 |
Als Ende der 80er Jahre ein kleiner, aber aufstrebender Privatsender eine bis dato ungewohnte Vielfalt an neuen Anime-Serien auszustrahlen begann, ahnte wohl keiner der begeisterten Zuschauer, dass sie damit einer kleinen Revolution in deutschen Fernsehstuben beiwohnen w�rden...
Aber noch viel weniger konnten die Fans von Serien wie z.B. Die K�nigin der 1000 Jahre ahnen, dass sie ihre Lieblinge nach der Erstausstrahlung oftmals nicht mehr wiedersehen w�rden. Denn Tele 5, so der Name des Senders, mu�te Anfang der 90er Jahre leider seine Pforten schlie�en, seine Serien waren und bleiben verschollen. Selbst heute, nachdem Tele 5 wieder aus der Versenkung auferstanden ist, scheint man dort nur noch wenig Sinn f�r einstige H�hepunkte des Programms zu haben, denn zahlreiche Rufe nach Wiederholungen der damaligen Anime-Serien bleiben, trotz ihrer offenkundig ungebrochenen Beliebtheit, ungeh�rt. Um nun gegen das generationsbedingte Vergessen einstiger Perlen anzuk�mpfen, m�chte ich an dieser Stelle eine dieser beliebten Serien, �ber die ansonsten bisher nur wenig bis gar nicht berichtet wurde, n�her vorstellen – es geht um Miyuki.
Das Beziehungsgeflecht in dieser Serie ist auf den ersten Blick stellenweise nicht ganz einfach zu durchschauen, und so wird es sicherlich nicht wenigen Freunden der Serie beim ersten Ansehen passiert sein, dass sie die falsche Person f�r die Hauptperson gehalten haben. Denn die titelgebende Serienheldin gibt es hier gleich im Doppelpack! Da ist zum einen erstmal KASHIMA Miyuki, die im uneingeschr�nkten Mittelpunkt des Interesses eines Jungen namens WAKAMATSU Masato steht. Masato lebt allein, da sowohl seine Mutter als auch seine Stiefmutter bereits verstorben sind und sein Vater mitsamt seiner Stiefschwester Miyuki(!) im Ausland lebt. Sehr zu seinem Leidwesen jedoch bleibt sein Interesse anfangs unerwidert. Als ihm am Strand dann eines Tages ein unbekanntes M�dchen mit einem strahlenden L�cheln begr��t, glaubt er sich im siebten Himmel. Wieder daheim stellt Masato fest, dass seine Stiefschwester (die er jahrelang nicht gesehen hat) unerwartet zur�ckgekehrt ist. Und nicht nur das – ihm gegen�ber steht sein unbekannter Urlaubsflirt! Fortan gestaltet sich das Leben im Hause Wakamatsu als recht verzwickt, denn nicht nur, dass Masato hin- und hergerissen ist zwischen KASHIMA Miyuki und seiner br�derlichen Zuneigung zu seiner Schwester, nein, auch Miyuki scheint f�r ihren Bruder mehr �brig zu haben, als es auf den ersten Blick scheint... Als sich dann auch noch Masatos selbsternannter Freund Ryuichi (der in der deutschen Fassung Riyuchi genannt wird) und sogar Miyukis Sportlehrer Nakata f�r seine Schwester zu interessieren beginnen, muss auch Masato immer �fter seine Gef�hle f�r Miyuki hinterfragen. Wird es Masato gelingen, sein emotionales Gleichgewicht wiederzufinden? Und kann er wirklich bei dem Drahtseilakt zwischen br�derlicher Liebe und einer dar�ber hinausgehenden, wachsenden Zuneigung zu seiner Stiefschwester auf Dauer die Balance wahren?
Miyuki ist definitiv eine der Serien, die Lust auf mehr machen. Sympathische Charaktere verstehen es mit Bravour auf spielerische Art, eine nicht ganz einfache Thematik inklusive der damit einhergehenden Probleme zu vermitteln, ohne dabei ins Niveaulose abzugleiten. Dabei bildet das Thema der Bruder-Schwester-Beziehung keinesfalls den Rahmen f�r ein todernstes Drama, sondern dient vielmehr als ungew�hnliche Kulisse f�r eine romantische Alltagscomedy. Eine nostalgisch angehauchte Instrumentalmusik und sanfte flie�ende Farb�berg�nge bei der Hintergrundgestaltung unterst�tzen die romantische Grundstimmung und lassen auch nach rund 20 Jahren (die Serie lief in Japan urspr�nglich von 1983 bis 1984) kaum W�nsche offen. Somit war der Erfolg bei der Erstausstrahlung quasi vorprogrammiert und es verwundert daher umso mehr, dass trotz steter Nachfrage von Seiten der Fans sich kein Sender nach dem Niedergang von Tele 5 zu einer Neuausstrahlung der beliebten Serie durchringen konnte. Denn dass dies durchaus auch nach Ablauf der deutschen Ausstrahlungsrechte m�glich ist, hat ja vor einiger Zeit RTL II mit Die Macht des Zaubersteins (besser bekannt als Nadia) zweifelsfrei bewiesen. Oder sollte es an dem scheinbaren Reizthema der Zuneigung unter Geschwistern gescheitert sein? Nun, gerade das sollte hier eigentlich nicht das Problem sein, denn wer die Verwandtschaftsverh�ltnisse im Hause Wakamatsu eingehend studiert, wird schon bald feststellen, dass Masato und seine Schwester Miyuki eben gerade nicht blutsverwandt sind (wie gut, dass Ryuichi das nicht wei�!). Noch dazu sind in keinster Weise irgendwelche „anr�chigen“ Szenen oder Situationen vorhanden – harmloser geht es nun wirklich nicht mehr. Es wird halt deutlich, dass ADACHI Mitsuru, der 1980 im „Shounen Sunday“ die Mangavorlage zu diesem Kult-Anime pr�sentierte (die leider immer noch nicht auf Deutsch zu haben ist...), eben mehr Wert auf die sich aus einer solchen Ausgangslage entwickelnde Situationskomik legte, lediglich gespickt mit diversen romantischen Einlagen harmloser Natur. Und das zeigt ja letzten Endes auch der sich �ber die ersten sieben Folgen hinziehende „running Gag“ um das entwendete Bikini-Unterteil von Miyuki KASHIMA mit unmi�verst�ndlicher Deutlichkeit.
In der ersten Anime-Umsetzung einer seiner Werke �berhaupt kann Adachi gleich mit einer Reihe schrulliger aber sympathischer Charaktere aufwarten. Neben dem bereits erw�hnten Sportlehrer Nakata, der sich nicht zu schade daf�r ist, mit einem seiner Sch�ler, Ryuichi, um die Gunst einer an sich Schutzbefohlenen zu buhlen – und der daf�r, man glaubt es nicht, sogar eine richtig gute Partie seiner Altersklasse sausen l��t! – gibt es da z.B. noch den „messerscharfen Yasujiro“. Der sich selbst gern mit diesem Ehrentitel(?) bezeichnende „messerscharfe Yasujiro“ ist seines Zeichens Polizist, dem die gute Miyuki es ebenfalls angetan hat. Um das Herz seiner Angebeteten zu gewinnen, scheut er sich nicht, vor ihr die Existenz seiner Ehefrau und seiner Tochter zu verleugnen. Dumm ist dabei nur, dass es sich – die Welt ist halt ein Dorf – bei besagter Tochter ausgerechnet um KASHIMA Miyuki handelt... Auch ansonsten ist der gute Yasujiro nicht gerade ein Prachtexemplar seiner Berufsgattung. Da wird schonmal die Dienstmarke f�r private Angelegenheiten zweckentfremdet und auch als Spanner bet�tigt sich dieser feine Herr gelegentlich ganz gerne... Auch Masatos „Freunde“ Muraki und Ryuichi sorgen zudem – neben vielen weiteren interessanten Nebencharakteren – f�r gelungene und kurzweilige Unterhaltung. Die Serie Miyuki ist daher – obwohl nur 37 Folgen lang – auch heute noch absolut sehenswert, insbesondere auch deshalb, weil Adachi hier endlich mal ein Werk vorlegt, das nicht mit dem manchmal nervenden, ansonsten bei ihm allgegenw�rtigen Thema Baseball (sehr zum Leidwesen seiner Leser eines seiner – sp�rbar – gr��ten Hobbies) durchsetzt ist.
Es bleibt also nur zu hoffen, dass Tele 5 sich eines Tages doch nochmal seiner Wurzeln besinnt und diesen und andere seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesendeten Anime-Klassiker endlich wieder aus dem Archiv holt – daf�r sind sie n�mlich zu schade.
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