anime no tomodachi ...
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Leseprobe der FUNime Nr. 26

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Inhaltsverzeichnis
Editorial
Now & Then, Here & There - Leben im Chaos
Parumu no ki - A Tree of Palme
Onegai Teacher - Ich, meine Lehrerin und Goethe
Pressekonferenz mit dem Produzenten von Sen to Chihiro
Chobits - Die TV Serie
Manga Power - Phönix aus der Asche
Shounentachi no ita Natsu - Melody of Jenny
Manga Made in Germany

Manga Made in Germany

"Halt!! Dieser Comic beginnt nicht auf dieser Seite. Das ist nämlich ein, äh, deutscher Comic, aber irgendwie doch ein Manga� Ach lassen wir das."

Dragic Master

von Robert Labs
Genre: Science-fiction
Erschienen bei: Carlsen Comics
Band 1: ISBN 3-551-75141-2
Preis: EUR 10,-

Naglayas Herz

von Sascha Nils Marx / Stefan Voß
Genre: Fantasy
Erschienen bei: Egmonst Manga & Anime
Band 1: ISBN 3-89885-480-9
Preis: EUR 6,10

Die deutsche Fanszene treibt überaus interessante Blüten. Vor gar nicht mal allzu langer Zeit hätte ich nie im Traum daran gedacht, daß ein Verlag einen von einem Deutschen im Manga-Stil gezeichneten Comic veröffentlichen würde, und dieser auch noch Erfolg hat. Und jetzt sind mit Dragic Master und Naglayas Herz gleich zwei solche Projekte Wirklichkeit geworden. Und dabei handelt es sich bei den Autoren keineswegs um bereits etablierte Comic-Zeichner, die nun ein wenig mit dem Manga-Stil experimentieren wollen, sondern sie kommen aus den Reihen der Fans.

Das Zeichnen von Fan-Arts war aus bekannten Gründen schon immer sehr beliebt. Wer wollte nicht schon mal seine Lieblingsfiguren selber zeichnen (können). Klappt das nicht so recht mit dem Zeichnen, bleiben nur noch die wenig befriedigenden Alternativen. Zum Beispiel wird man ein "Kenner" der Anime- und Manga-Kultur, was immer das auch ist. Oder man begnügt sich mit dem schnöden Drumherum, der langweiligen Welt der Lizenzrechte, Videorekorder und Computerkarten. Oder man endet gar als FUNime-Redakteur. Verständlich, daß viele mehr sein wollen, als nur Konsument. Der Schritt zu einem eigenständigen Comic ist jedoch trotzdem etwas Besonderes. Denn dazu ist schon ein viel höheres Maß an Kreativität notwendig. Vor allen Dingen wird einem nichts vorgekaut. Deshalb gebührt den Autoren dieser Comics schon einiger Respekt.

Trotzdem finde ich diese Entwicklung eher ungesund. Damit meine ich nicht einmal die Tatsache, daß Deutsche jetzt plötzlich Manga zeichnen, sondern den seltsamen "Kulturbrei", der dadurch in fast allen Fällen entsteht. Von allen Kunstformen sind Comics vielleicht mit am stärksten von Kultur und Gesellschaft geprägt, und wenn man sich wie in Dragic Master nur großzügig bei den Stilmitteln des aktuellen Trends Manga bedient, kommt einfach nichts rundes dabei heraus. Deshalb wirkt der Comic auch nicht japanisch, trotz umgekehrter Leserichtung, des angepaßten Zeichenstils und den übrigen entliehenen Elementen. Es ist eine seltsame Mischform, die aber anscheinend doch ihre Anhänger hat. Aber Gegner gibt es auch zuhauf. Man konnte im Internet im Comicforum schon eine Menge interessanter Diskussionen zur Reizfigur Robert Labs verfolgen. Trotz der vielen Fans, die Comics im Manga-Look aus deutscher Feder gerade haben würde ich sagen, daß das Phänomen Germanga nicht allzu lange Bestand haben wird, jedenfalls nicht in dieser Form. Manga haben schon auf andere Weise ihren Einfluß auf andere Comics ausgeübt. Viele Comiczeichner haben sich schon inspirieren lassen, aber ohne ihre eigene Identität dabei aufzugeben. Das ist das eigentliche Problem, das ein Zeichner hat, wenn er die Nähe zu den Manga sucht. Man kann und will sich ja nicht in einen halben Japaner verwandeln. Das Problem wird oft einfach umgangen, indem in vielen Stories inklusive Dragic Master und Naglayas Herz ein neutrales Setting gewählt wird, das erst einmal nichts mit irgendeiner Kultur zu tun hat, also in diesen beiden Fällen ein Science-Fiction- bzw. ein Fantasy-Abenteuer. Zum Glück, möchte man da sagen.

Dragic Master

Diese erste Klippe wurde also elegant umschifft, aber wie schaut es mit dem Rest aus? Nehmen wir uns zuerst einmal Dragic Master vor. Die Zeichnungen sind ja gar nicht mal schlecht. Besonders einige Mecha-Designs finde ich gut. Ich würde ja jetzt gerne einiges zitieren, aber leider hat Carlsen auf Seitennummern verzichtet. Angesichts des jungen Alters des Autors eine bemerkenswerte Leistung, zumal ein ausgewachsener Comic schon bedeutend mehr Arbeit macht, als eben mal ein kleines Fan-Art zu zeichnen. Der Detailgrad der Zeichnungen wird allerdings nicht durchgehend gehalten, da spürt man den Zeitdruck. Das ist aber zu verschmerzen. Was eher stört, ist die ziemlich chaotische Seitenaufteilung, wohl bedingt durch die Tatsache, daß das bekannte Gebot "weniger ist mehr" wieder mal unbeachtet geblieben ist. Den gesamten Comic durchzieht zwar ein gewisses anarchisches Element, was ja irgendwie ganz witzig ist, aber mir ist es dann doch viel zu hektisch. Neben den Panels trägt noch der übermäßige Einsatz von Speedlines zur schwereren Lesbarkeit bei. Trotz allem hat Labs das für den Anfang ganz gut hingekriegt.

Zum Plot möchte ich nicht viel sagen. Er ist ganz nett, aber bestimmt nicht die Offenbarung. Um den Hormonhaushalt von Robert Labs braucht man sich jedenfalls keine Sorgen zu machen. In meinen Augen ist die Story sowieso das Schwierigste an einem Comic. Es wird im Grunde von allen zu viel Wert auf die Zeichnungen gelegt. (Ab)zeichnen kann im Grunde "jeder", aber die auf das Blatt gebrachten Figuren müssen dann auch mit Leben gefüllt werden. Ich bin froh um jeden Manga, der diese Aufgabe mit Bravour bewältigt, aber leider werden zu oft nur bereits etablierte Klischees wieder durchgekaut. In diesem Sinne ist Dragic Master positiv anzurechnen, daß etwas durchaus eigenständiges geboten wird, obwohl es Leute gibt, die dem Comic eine gewisse Nähe zu Pokémon ankreiden. Aber das ist ungerechtfertigt. Im Gegenteil, schon damals versprach ich mir vom Monster-Konzept einiges Potential. Pokémon konnte dieses freilich nicht ganz ausschöpfen, aber inzwischen gab es doch einige interessante Variationen, allen voran natürlich Naru Taru. Das soll jetzt aber bitte nicht heißen, daß ich Dragic Master damit vergleichen will.

Naglayas Herz

Raus aus der "4. Dimension" in Dragic Master und hinein in Io, eine klassische Fantasy-Welt, trägt uns der Comic von Sascha Nils Marx und Stefan Voß. In diese Welt wird man recht nett durch einen Prolog eingeführt. Dann geht es weiter, wie man das von vielen Fantasy-Anime gewohnt ist. Eine Gruppe von Helden, in unserem Fall eher von Chaoten, zieht los und erlebt Abenteuer. Warum nicht, das Konzept hat sich bewährt, auch wenn die Geschichte dadurch recht episodenhaft wird. Vorsichtshalber erwarte ich für die Zukunft auch nicht zuviel, obwohl sich gegen Ende des Bandes so etwas wie ein längerer Handlungsstrang abzeichnet. Zudem wird man etwas mit Namen und Fakten zugeschüttet, so daß man immer ein wenig unsicher ist, was jetzt davon wichtig ist, und was nicht. Was ich aber ganz gut finde, sind die vielen kleinen Einfälle zwischendurch, die mitunter ganz witzig sind. Die ganz großen Lacher fehlen allerdings, was aber für ein Erstlingswerk nicht schlimm ist, vor allen Dingen, wenn man es auf eigene Faust versucht. Es ist auch eine Abwechslung zu den Standard-Gags, wie man sie von Anime wie Slayers oder Ruin Explorers kennt, obwohl die witziger sind. Wirklich erstaunlich, daß wir als Zuschauer oder Leser in Sachen Humor so leicht auszurechnen sind.

Die Zeichnungen bleiben leider etwas hinter denen von Dragic Master zurück, was sowohl für die Figuren als auch für die Hintergründe gilt. Sie sind einfach noch zu grobschlächtig. Insbesondere bei den Strukturen von größeren Flächen wie zum Beispiel bei Wiesen oder Geröll ist etwas mehr Phantasie gefragt. Ab und zu sollte man auch ruhig erkennen können, um was es sich denn handelt, was da mit Schraffuren oder Reliefs angedeutet wurde. Dafür ist die Seitenaufteilung deutlich besser ausgefallen als bei Dragic Master - obwohl hier auch einige Experimente gewagt wurden, ist es viel weniger hektisch und angenehmer zu lesen. Die Bilder springen einem nicht so ins Gesicht. Da kann man verschmerzen, daß manchmal einiges durcheinandergerät. Ein Problem, das meistens bei Action-Szenen zu spüren ist.

Fazit

Einen guten Comic zu zeichnen ist schwer. Die Autoren von Dragic Master und Naglayas Herz können sicher ein Lied davon singen. Deshalb ist schon mal schön, daß sie es überhaupt geschafft haben, ein Werk veröffentlicht zu bekommen. Die Popularität der Manga in Deutschland hat sicher einiges dazu beigetragen. Was mich in eine Zwickmühle bringt, denn im Grunde haben die beiden Comics nicht viel mit Manga zu tun. Sie benutzen nur einige typische Elemente, wie den Versuch, den Zeichenstil besonders japanisch aussehen zu lassen (was in beiden Fällen nicht gelungen ist), die umgekehrte Leserichtung oder Stilelemente wie Nasenbluten, SD-Figuren, usw. Andererseits hätten die beiden Stories als normaler Comic wohl kaum eine Chance, da für solche auch ganz andere Anforderungen gestellt werden. Aber zumindest entstanden die Werke aus Begeisterung für die japanischen Comics, und nicht etwa, weil sie sich deswegen besser verkaufen ließen. Das demonstriert die große Faszination, die von den Manga ausgeht. Ich wünsche unseren hoffnungsvollen Newcomern jedenfalls weiterhin viel Erfolg und daß sie ihre Fähigkeiten weiter verbessern können.

Taro

   

   
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