"Am Fuß eines gewaltigen Baumes lebt der alte Botaniker Fow mit einem defekten hölzernen Roboter namens Palme in einer Hütte. Eines Tages taucht bei ihnen Corlum, eine schwer verletzte Soldatin des Sol-Stammes, auf�" - Der zweite Animebeitrag zur Berlinale 2002.
NAKAMURA Takashi
NAKAMURA Takashi, geb. 1955 in der Präfektur Yamaguchi. Seit 1976 Zeichner und Charakterdesigner für Animationsfilme. Sein bekanntester Film als Animation Director: Akira (1989). Als Regisseur: Catnapped! (1995), Parumu no ki (2002).
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Parumu no ki - A Tree of Palme
Erscheinungsland, -jahr: Japan, 2002
Spielzeit: 130 Min.
Regie: NAKAMURA Takashi
Buch: NAKAMURA Takashi
Kamera: AZUHATA Takashi
Animationsregie: SASAKI Mamoru
Charakterdesign: INOUE Toshiyuki
Musik: HARADA Takashi
Sektion: Int. Forum
Produktion und Weltvertrieb: Genco Inc.
Homepage: http://www.palm-net.co.jp/ (jpn.)
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Mit dem Bewußtsein um die eigene Existenz ist auch das Bewußtsein um die eigene Vergänglichkeit entstanden: die Angst. Und Palme hat Angst. Palme mag aus dem Holz eines mächtigen Krupp-Baumes geschnitzt sein, doch auch er ist nicht unsterblich. Als er das erste Mal dem Tod begegnete, konnte er sich noch in die Nichtfunktionalität flüchten. Doch der Mord an seinem Schöpfer und eine wichtige Kapsel, die ihm die unbekannte Kriegerin anvertraut, zwingen ihn, in die Welt hinauszuziehen. Eine fantastische Welt voller seltsamer und tödlicher Gefahren. Vorbei an mörderischen Kakteenrudeln und in der Luft schwebenden Quallen der Oberwelt Arkana gelangt er in die riesige Stadt Flamingo. Er lernt Personen mit vielfältigen Ansichten zum Leben kennen. Die Straßenkinder Puu und Muu, die nur für das Jetzt leben, den jungen, von Rache getriebenen Krieger Shata und schließlich das Mädchen Popo, die, anders als die anderen Kinder, zwar eine gesicherte Existenz hat, jedoch in ständiger Schikane durch ihre Mutter, einer alternden Diva, lebt. Nicht nur ihre Unfreiheit erweckt in Palme ein bis dahin vergessenes Gefühl der Zuneigung, denn sie hat auch große Ähnlichkeit mit Cyan, der verstorbenen Frau seines Schöpfers. Er will mit ihr zusammen leben, doch dazu müßte er genauso werden wie sie: ein Mensch. Gejagt von Kriegern des Mohi-Stammes machen Palme und seine neuen Freunde sich auf die Suche nach Soma, dem Schöpfer der Unterwelt Tamas und seiner Bewohner. Nicht ahnend, daß Palme nur die Marionette einer von Haß zerfressenen Person ist.
Auf dieser Reise wird jeder einzelne vor die Frage nach seiner eigenen Bestimmung gestellt. Diese Reise ist nicht nur eine Reise in eine mysteriöse Unterwelt, sondern auch eine Reise in sich selbst. Dabei erleben sie Momente der Qualen und Momente der Freude. Sie sündigen und sie büßen. Und schließlich findet jeder für sich seine eigene persönliche Antwort. "Diese Figur gleicht uns. Sie fragt wie wir nach dem spirituellen Wohin, danach, was von uns bleibt", so beschreibt Regisseur NAKAMURA Takashi (Robot Carnival) Palme. Ihm "macht die Vergänglichkeit seiner Existenz Angst. Trotzdem begibt er sich auf eine Reise in die gequälten Seelen und Gedanken der Menschen und kommt zu einem festen Standpunkt."
Zwar kann man über Palmes Standpunkt am Ende des Filmes streiten, doch fest steht, daß Parumu no ki ("Palmes Baum") ein ganz besonderer Film ist. 10 Jahre hat es gedauert, bis Takashi sein Werk vollenden konnte. Was als seine eigene eigenwillige Interpretation von Pinocchio für Grundschulkinder startete, wurde schnell zu einem Mammutwerk von epischen Ausmaßen, worin auch die einzige Schwäche des Filmes liegt: Der Zuschauer wird von Myriaden Eindrücken und Personen geradezu bombardiert, so daß er sehr schnell den Überblick verliert. Eine mehrteilige OVA-Serie wäre da vielleicht sinnvoller gewesen. Jedoch hätte man auch ein geringeres Budget gehabt.
Ansonsten ist an dem Film nichts auszusetzen. Die einfach gestalteten Charaktere mögen nicht bei jedem auf Gegenliebe stoßen, aber dafür wurden fast schon verschwenderisch viele Cels für sie benutzt. Doch das wohl stärkste Argument für Parumu ist die Ausarbeitung der Welt von Palme, die nur anfangs wie eine typische Endzeitwelt aussieht. Doch sobald er seine heimatliche Wüste verläßt, eröffnen sich Landschaften, die den Betrachter nicht mehr aus dem Staunen lassen. Selten hat man so surreale wie schöne Landschaften gesehen, die trotz ihrer Seltsamkeit doch irgendwie natürlich wirken. Man bewegt sich wie im Traum zwischen baumgroßen Teichrosen, gelangt in fabrikartige Höhlen voller Röhren und Leitungen und erlebt die fluoreszierenden Pollen der gigantischen Selene-Blumen, die wie Leuchtkäfer dem Himmel zustreben. Es ist eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Welt, die geradezu dem Hirn eines Naiven Malers wie Rousseau entsprungen sein könnte.
Parumu no ki erlebte seine Weltpremiere unter der Anwesenheit des Regisseurs am 8. Februar im Internationalen Forum der Berlinale 2002. In Japan kam der Film erst am 16. März in die großen Kinos. Wegen der Teilnahme (und des späteren Sieges) von Sen to Chihiro no Kamikakushi am Wettbewerb der Berlinale hat Parumu leider nicht die Beachtung erlangt, die er verdient hätte, denn Parumu braucht keinen Vergleich mit MIYAZAKIs Rekordfilm zu scheuen. Ob man im Westen jedoch irgendwann in den Genuß kommen wird, den Film erneut auf der großen Leinwand (oder auch nur auf der teuren Silberscheibe) zu sehen, ist fraglich. Trotz - oder gerade wegen - seiner Qualitäten wird dem Film jedoch der ganz große kommerzielle Erfolg versagt bleiben. Schade eigentlich.
Fan-Yi
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