„Du brauchst nicht den Klassenraum zu putzen, Hausaufgaben zu machen oder Klausuren zu
schreiben! Und du kannst später auf jede beliebige Oberschule wechseln. Irgendwie beneide ich
dich um das Amt. Wenn man nur nicht diese Aliens auf dem Kopf tragen müsste...“
Alien9
Manga-Serie: von TOMIZAWA Hitoshi
3 Bände (1999), abgeschlossen
Verlag: Akita Publishing Co, Tokyo Ltd.
Anime-Serie:
3 OVAs (2001), 4 geplant
Produktion: Genco und J.C.Staff
Offizielle HP: http://www.alien-nine.com (Link inzwischen veraltet)
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Wir befinden uns im 25. Jahr nach der Thronbesteigung Heiseis (= 2013 a.D.). Aliens haben eine
Invasion der Erde begonnen und fallen nun ständig vom Himmel. Da diese damit für Kinder
eine potentielle Gefahrenquelle darstellen und die Stadtverwaltung natürlich kein Geld für
deren Beseitigung hat, müssen sich die Schulen eben selbst darum kümmern. Deshalb werden
sogenannte „Alien-Abwehr-Teams“ gebildet, die stets von Schülern der obersten Klassen besetzt
werden. Nun ist es aber so, daß Aliens zu dieser Zeit das Ekligste sind, was sich junge
Mädchen vorstellen können, weshalb freiwillige Kandidaten trotz all der Vorteile, die sich
daraus ergeben, nur sehr schwer gefunden werden können.
Ein Mädchen, das von ihrer Klasse zu diesem Amt gezwungen wird, ist die elfjährige OTANI
Yuri: Ein „viel zu normales“ und zurückhaltendes Mädchen, das sich eigentlich auf das
letzte Schuljahr an der 9. Grundschule gefreut hatte und dessen schlimmster Alptraum nun wahr
geworden ist. Selbst die Aufmunterungsversuche ihrer Freundin TAMAKI Miyu können sie nur wenig
besser stimmen. Von einem ganz anderen Kaliber sind ihre zwei Teamkameradinnen: TOMINE Kasumi, ein
ebenso hochbegabtes wie extrovertiertes Mädchen, das freiwillig zum Team hinzustößt,
und die schon ziemlich erwachsen wirkende KAWAMURA Kumi. Betreut werden die drei von der
mysteriösen Lehrerin HISAKAWA Megumi, die ihnen ihr wichtigstes Werkzeug bei der Alien-Abwehr
gibt: die Bougus, Aliens in Form von geflügelten Helmen, deren Zweck es ist, die jungen
Mädchen vor gefährlichen Aliens zu schützen. Die Bougus sind - anders als die meisten
Aliens - hochintelligent, können sprechen und ernähren sich sehr zum Entsetzen Yuris von
dem Dreck, der sich im Schweiß der Mädchen angesammelt hat!
Wer nun denkt, daß Alien9 nur ein nettes Schulmädchen-Sci-fi-Abenteuer wäre,
der wird schnell eines Besseren belehrt. Schon der erste Einsatz zeigt, daß sich die
Zielgruppe der Serie im späten Stadium der Pubertät befindet: Das Alien, das die
Mädchen einfangen sollen, wird von Yuris Bougu, das seine vor Angst gelähmte Trägerin
in Gefahr sieht, mit seinen spiralartigen Fangarmen aufgespießt und in Stücke gerissen.
Dennoch schickt die Schulleitung, die ominöse Pläne verfolgt, die Mädchen immer
wieder in neue Einsätze gegen Aliens, die zum Teil selbst den Bougus weit überlegen sind.
Selbst als die Situation zu eskalieren droht und Hisakawa-sensei immer wieder eingreifen muss, um
die Mädchen aus ausweglosen Situationen zu retten, bleiben sie im Dienst. Gelangweilte Jungen
beschaffen sich Aliens, und versuchen die Mädchen umzubringen, Kumi wird von Aliens halb
aufgefressen und schließlich versucht sogar Yuris Bougu, sie zu einer Verschmelzung mit ihm zu
zwingen. Immer mehr verlieren die Mädchen die Kontrolle über die Situation, aber auch ihre
Menschlichkeit geht ihnen langsam abhanden: Kasumi beginnt, Aliens mit MagLite-Taschenlampen -
wortwörtlich - plattzuhauen, Kumis menschlicher Körper scheint nur noch eine
Außenhülle von etwas Unglaublichem darunter zu sein und Yuris anfangs mädchenhaftes
Weinen aus Ekel vor den ihr verhassten Aliens wird immer mehr zu einem Weinen der nackten
Verzweiflung. Selbst die aufkeimende kindliche Liebe zwischen Yuri und Kumi kann das Unvermeidliche
nicht verhindern: Wie bei einer antiken Tragödie wird der Leser über die Einleitung
langsam zum Höhepunkt und dann, von einer Zäsur (den Sommerferien) kurz unterbrochen,
unaufhaltsam zur Katastrophe geführt.
Alien9 kann man getrost in die Reihe der Horrormangas stellen, trotz des sehr kindlichen
Charakterdesigns und des geringen Verbrauchs an Rasterfolie und Tusche, was den Manga sehr hell und
sauber erscheinen lässt. Erschienen ist der Manga von TOMIZAWA Hitoshi 1999 im „Young Champion
Comic“ (Akita Shoten), das sich trotz des Namens vornehmlich an ältere Jugendliche richtet.
Ähnlich wie einige andere Zeichner, musste Tomizawa anfangs nach einem eigenen festen Stil
suchen, was gut zwischen dem ersten und zweiten Manga erkennbar ist. Nicht nur sein rundes
Charakterdesign mit den weit auseinander liegenden Augen und den wilden Rötungsstrichen ist
ungewöhnlich, sondern auch das komplette Fehlen von Manga-typischen Speedlines und Tomizawas
Hang zu Totalaufnahmen, wodurch insbesonders die Kampf-Szenen wie Momentaufnahmen wirken und so ein
einzigartiges Gefühl des Horrors, der Hilflosigkeit und Passivität erzeugen. Der gesamte
Manga wirkt zeitlupenartig, ja sogar unwirklich. Diese Mischung aus ungewöhnlichem
Erzählstil, den extrem niedlichen Mädchen und den äußerst bizarren Kreaturen
kann auf manchen sehr befremdlich oder sogar abstoßend wirken, zeigt aber auch Tomizawas
Fähigkeit zur Individualität.
Jedenfalls hatte er Erfolg mit seinem Konzept, so daß im Juni 2001 die erste OVA zu
Alien9 erschienen ist - mit einem gewaltigen Werbeaufgebot. Der von GENCO und dem bekannten
J.C.STAFF produzierte Film hält sich sowohl inhaltlich als auch vom Charakterdesign sehr dicht
an der Manga-Vorlage. Bekannte Synchronsprecherinnen sind ebenfalls zu finden: u.a. SHIMIZU Kaori
(Lain aus Serial Experiments Lain) für KAWAMURA Kumi und HISAKAWA Aya (Ami aus Sailor
Moon) für HISAKAWA (!) Megumi. Der Anime selber ist - wie heute üblich - am Computer
fertiggestellt worden, wodurch der insgesamt recht dunkel gehaltene Film sehr rein und neu wirkt.
Die Zeichenqualität ist guter OVA-Standard und die komplett computergenerierten Fangarme der
Bougus gut gelungen. Das beeindruckendste an der OVA ist aber der Sound. Zwar ist der nur in PCM-
Stereo, aber so glasklar, daß man glaubt, direkt dabei zu sein. Die wohl schönste Szene
der ersten OVA ist der erste Einsatz des Mädchen-Teams, mit den über den Sportplatz
schabenden Rollerblades der Mädchen, der Hintergrundmusik in Form eines fröhlichen
Kinderchors, den rasanten Kamerafahrten und das abschließende metallische Geräusch, wenn
die Fangarme von Yuris Bougu das Alien durchbohren. Die Musik, die manchmal wie fehl am Platz wirkt,
gibt dem Anime noch die Prise Befremdlichkeit, die er visuell nicht meistern konnte.
Die OVA ist insgesamt nicht so gewöhnungsbedürftig wie der Manga und deshalb als Einstieg
besser geeignet. Aber spätestens nach der zweiten OVA, die die zweite Hälfte des ersten
Mangas wiedergibt, wird auch dort klar, daß die Sache nicht so harmlos bleiben wird wie in der
ersten OVA...
Der Manga selbst findet mit dem dritten Band sein böses Ende. Von der OVA ist in Japan Ende
September die zweite und Ende November die dritte DVD erschienen, wobei insgesamt vier Folgen
geplant sind. Mit einem amerikanischen oder gar deutschen Release der OVAs in den nächsten
Jahren ist nicht zu rechnen und eine Veröffentlichung des Mangas wohl ausgeschlossen.
Mittlerweile arbeitet Tomizawa an seinem Manga Milk Closet, der in Kodanshas „Afternoon“
erscheint, viele Elemente aus Alien9 enthält und noch bizarrer als dieser ist. Wer sich
für Skurriles interessiert, der sollte sich Tomizawas Namen gut merken.
Fan-Yi
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