Tokyo, 23. September (AFP)
Hochgelobt für seine Animefilme mit ökologischen oder philosophischen Themen wie Princess
Mononoke oder My Neighbour Totoro, ist Japans erfolgreichster Filmemacher MIYAZAKI Hayao dabei,
seinem neuesten Projekt den letzten Schliff zu verpassen.
Ghibli-Museum
Tokyo Mitaka-shi, Shimo-Renjaku
Metro Mitaka-Line, Buslinie 36
Eintritt ¥1.000 (ca. 17 DM), nur nach Voranmeldung
http://www.ghibli-museum.jp
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Aber diesmal geht es nicht um einen neuen Film, sondern um ein Museum, das seine Erfolgsrezepte und
Inspirationsquellen sowie die seiner Kollegen näherbringen soll.
Ganz im Grünen gelegen in der Nähe eines Flusses und nur einen Steinwurf entfernt von
seinem Studio Ghibli in Mitaka in den westlichen Randbezirken von Tokyo, wird das "Museo D'Arte
Ghibli" am 1. Oktober seine Pforten für die Öffentlichkeit öffnen.
"Sensei" (Meister) Miyazaki, 60, Co-Produzent des Zeichentrickserien-Hits Heidi aus den 70ern,
kümmert sich selbst um alle Details, flitzt dabei von einem Raum in den anderen, ordnet hier das
italienische Fahrrad eines Freundes der Familie neu an, bevor er zu einer kaum vollendeten
Wasserfarben-Zeichnung eilt, die er wieder zurechtrückt.
"Diese Zeichnung ist gerade gestern fertig geworden. Ich habe die Zeichnung gemacht, und meine Leute
haben sie später coloriert. Dies ist eine Szene in einem Animationsstudio in den 50ern
Anders als heute haben die Leute damals ohne große Sorgen gelebt. Das erkennt man auch an den
Gesichtsausdrücken und den strahlenden Augen der Leute in der Zeichnung" sagt Miyazaki.
Sein jüngster Film, Sen to Chihiro no Kamikakushi (Spirited Away), die Geschichte eines
10jährigen Mädchens, das von Geistern und Hexen bedrängt wird, ist dabei, Titanic als
erfolgreichsten Film aller Zeiten abzulösen. Seit seiner Premiere am 20. Juli haben ihn 16,1
Millionen Japaner gesehen, was an den Kinokassen bis zum 20. September 20,6 Mrd. Yen (176,1 Millionen
Dollar) Umsatz einbrachte; Titanic hatte 16,8 Millionen Zuschauer.
Miyazakis letzter Film, Princess Mononoke, eine märchenhafte Fabel mit ökologischer
Botschaft, war 1997 vor Spirited Away der erfolgreichste Film aller Zeiten, und spielte im ersten
Jahr 11,3 Mrd. Yen ein.
Mit seinen sanften Pastellfarben und den weichen, runden Linien versucht das Museum unter der
persönlichen Führung des "Senseis", teilzuhaben an Miyazakis Vision der
Unbekümmertheit und Zuversicht der Kindheit, während es dem Besucher das A bis Z der
Geschichte der animierten Filmkunst vermittelt.
"Ich möchte es mit diesem Museum einfacher machen, den Kindern die Techniken der Film-Animation
zu erklären, indem sie das Gefühl haben, selbst ein Teil dieses Films zu sein. Ich
möchte nicht, daß sie denken, daß alles, was sie tun müssen, wenn sie Wasser
zum Kochen bringen wollen, bloß ein Knopf zu drücken ist. Ich will, daß sie wissen,
daß sie Hitze brauchen, um das Wasser zu kochen!" sagt Miyazaki.
In dem Museum ist ein Innenhof, der wie ein alpines Schweizer Bergdorf gestaltet ist und an Heidi
erinnert, komplett mit einem richtigen Schreiner, während die Räume mit an Jugendstil
erinnernden Motiven auf Holzscheiben geschmückt sind und die Decken mit Fresken mit dem Flugzeug
aus Miyazakis Film Porco Rosso und seinem Halb Eule, halb Katze verkörpernden Helden Totoro
verziert sind.
"Es ist eine Schande, daß es in einem Land wie Japan, das von alters her ein Land der
Handwerker ist, schwierig ist, gute Kunsthandwerker zu finden. Als ich mit einigen von ihnen sprach,
um ihnen meine Vorstellung des Gebäudes zu vermitteln, fragten sie mich, wie es denn aussehen
solle. Wenn sie wirklich gute Kunsthandwerker gewesen wären, hätten sie es selbst
gezeichnet" bemerkt Miyazaki.
Dennoch ist er zufrieden mit der Arbeit der erfahrenen Glaser, die er ausgewählt hat, um die
farbigen Fenster des Museums zu gestalten, und mit dem bereits 70jährigen Mann, der den riesigen
flugzeugpropeller-artigen Ventilator geschaffen hat.
Für ihn ist das Dekor für sich schon ein Selbstzweck, nicht nur einfach eine luxuriöse
Innenausstattung, sondern genauso wichtig wie die Ausstellungstücke selbst.
"Die Idee dahinter ist nicht, die ganzen alten Arbeiten einfach nur alle hintereinander aufzureihen.
Meine Arbeiten sind nicht so gut wie die von Cézanne oder Da Vinci, und es gibt keine
Garantie, daß die Leute weiterhin kommen und Ghibli-Filme sehen wollen. Das Museum selbst
muß kreativ sein, so daß es mindestens 100 Jahre bestehen bleibt" sagt Miyazaki.
In dem Raum, in dem der Prozess der Animation erklärt werden soll, sieht man eine Reihe von
kleinen Totoro-Modellen und anderen Haupt-Figuren aus den entsprechenden Filmen, wie sie sich auf
eine Lampe zubewegen, vor der sich mit hoher Geschwindigkeit eine Lochscheibe dreht, was den Eindruck
eines Stummfilms ergibt.
Ein anderer Raum ist gefüllt mit Büchern, Fotos von Bäumen oder Wolkenkratzern,
besonderen Einrichtungsgegenständen und anderen Objekten wie Fahrrädern und
Flugzeugmodellen, die einem einen Einblick in die Vorstellungswelt eines Animateurs vermitteln.
Besucher, und insbesondere die Kinder, können die Geräte zur Filmvorführung und das
Schneidewerkzeug berühren, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, auf dem riesigen
Stoff-Katzenbus aus Totoro herumzuspringen oder Miyazakis Anti-Walfangs-Abhandlung "Kujira-tori" im
Kino im Kellergeschoß zu sehen, einen von drei Ghibli-Animefilmen, die exklusiv nur für
das Museum produziert wurden.
Die Besucherzahlen sind pro Tag auf 2400 beschränkt, die alle 2 Stunden in Gruppen eingelassen
werden, und die Eintrittskarten sind nur bei den örtlichen Niederlassungen der Lawson-Ladenkette
erhältlich.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Agence France Presse,
Übersetzung FUNime (Markus)
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