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Leseprobe der FUNime Nr. 21

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... Editorial
Daddy Langbein
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Daddy Langbein

Eine Serie wird vorzeitig gekippt – immer ärgerlich. Aber bei der Erstausstrahlung?

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Nach seinem neuesten Schildbürgerstreich drängt sich einem, denkt man an RTL II, unwillkürlich der Vergleich mit organisiertem Chaos auf. Bei der Flut von Umstellungen im Rest des Programms mutet das Kinderprogramm schon fast als letzte feste Größe in der Programmplanung des Senders an. Aber auch hier bleibt man nicht ganz verschont. Die WMT-Serie Daddy Langbein sollte eigentlich schon Mitte letzten Jahres gezeigt werden. Nachdem der Termin bereits einmal verschoben wurde, konnte RTL II das Versprechen "jedenfalls noch vor Weihnachten" ebenfalls nicht einhalten. Erst im neuen Jahr ging die Serie auf Sendung.

Aber nicht für lange. Exakt nachdem die Hälfte der Folgen ausgestrahlt wurden, wurde Daddy Langbein abrupt aus dem Programm genommen. Für die Fans, denen das nicht unbemerkt blieb, hatte man auch schnell eine Antwort parat. Die Quoten waren schuld und RTL II muß ja schließlich Geld verdienen. Nur seltsam, daß diese gar nicht so schlecht waren, insbesondere im Vergleich zu den direkt benachbarten Sendungen. Da ist die Aussage von Tele München, dem Lizenznehmer der Serie, um einiges glaubhafter. Von dort hieß es, die Sendelizenz sei abgelaufen. Also nichts mit Quotenschreck. Sollte sich die Aussage einer großen Tageszeitung bewahrheiten, RTL II verstehe unter PR zunehmends "Pinocchio Relations"? Hm.

Was vielmehr interessiert, ist die Frage, ob die Serie denn jemals wiederkommt. Ich rechne mir da eigentlich ganz gute Chancen aus. Mit den WMT-Serien hat Tele Müchen eigentlich seit jeher keinen schlechten Schnitt gemacht und ich denke, es wird sicher auch irgendwann eine neue Lizenz erworben werden. Leider gibt es bei Daddy Langbein einen kleinen Wermutstropfen, und das ist die Synchronisation. Die Serie ist zuvor von der Tele-München-Tochter Concorde Video als Kaufkassette vertrieben worden. Und besonders hier wird häufig an der Synchronisation gespart. Für das Fernsehen wurde nicht neu synchronisiert, und so kommt die deutsche Umsetzung von Daddy Langbein unglücklicherweise nicht über das Niveau von etwa Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huck Finn oder Bob, der Flaschengeist hinaus. Dadurch wird sie meiner Meinung nach dem Inhalt der Serie keinesfalls gerecht.

Wie (fast) immer bei den WMT-Serien, wartet die Serie allein schon wegen der Vorlage mit einer soliden Story auf, auch wenn diese in der heutigen Zeit etwas altmodisch erscheint. Dafür gibt es keine endlosen Wiederholungen von Handlungsschemas, die diversen Produktplanern als zielgruppenkonform erscheinen, wie man das von anderen Serien ja zur Genüge gewohnt ist.

Das Waisenmädchen Judy Abbott bekommt eines Tages ihre große Chance. Ein Wohltätigkeitsverein stiftet einem Kind im Waisenhaus ein Stipendium an einer High School, und obwohl es anfangs gar nicht danach aussah, wurde Judy letzten Endes doch ausgewählt. Der Vorsitzende des Wohltätigkeitsvereins gab den Ausschlag; ein Mann, der sich hinter dem Pseudonym "John Smith" versteckt. Auch gesehen hat ihn Judy nur kurz. Und das auch nur im grellen Gegenlicht seines Autos, in dem er kurz darauf unerkannt davonfuhr. Der lange Schatten, den er kurz vorher noch geworfen hat, bringt ihm den von Judy ausgedachten Spitznamen Daddy Langbein ein.

An der High School angekommen, teilt sie sich ihr Zimmer im Schülerwohnheim mit der netten Sallie und dem Snob Julia. Daß sie aus einem Waisenhaus stammt, versucht sie mit allen Mitteln zu verbergen, und hier fangen ihre Probleme an. Darüber hinaus ist John Smith ein etwas seltsamer Mensch. Judy schreibt ihm regelmäßig Briefe, aber nur selten kommt eine Antwort, und meistens auch nur durch seinen Anwalt. Als ob er es darauf anlegt, so wenig wie möglich in Erscheinung zu treten.

Aber gerade diese Passivität ist es, was die Serie so reizvoll macht. Dadurch wird Judy noch mehr zur aktiven Person. Dadurch, daß sich hinter dem Adressaten von Judys Briefen eine wirkliche Person verbirgt, sind ihre Briefe viel mehr als ein einfaches Tagebuch. Sie ist fröhlich, wenn sie fühlt, daß ihr Daddy Langbein stolz auf sie ist und sie schämt sich vor ihm für ihre Fehler. Sie packt ihren ganzen Frust und Zorn über seine scheinbare Teilnahmslosigkeit in einen Brief und ist unendlich erleichtert und glücklich, als schließlich doch eine Antwort kommt. Gerade das gehörte zu den schönsten Momenten in der Serie. Eine Serie auch über das Erwachsenwerden.

Aber nicht, daß die ganze Serie bierernst wäre. Leichter und fröhlicher Humor zieht sich durch alle Folgen dieser ersten Hälfte der Serie und ergeben einen Kontrast zu den eher dramatischen Stellen. Diese sind mir eigentlich doch etwas zu dick aufgetragen, um mich dafür wirklich begeistern zu können. Das tut aber dem positiven Gesamteindruck keinen Abbruch. Nur schade, daß wir wegen der von höheren Mächten verordneten Zwangspause nicht wissen, wie die Serie in der zweiten Hälfte weitergeht. Noch. Hoffentlich.

Taro

       
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