Abendfüllende, computeranimierte Kinofilme hießen bisher Toy Story
oder A Bug’s
Life, kamen aus Hollywood und bauten auf Multimillionen-Dollar-Etats und die schier endlose
Rechenleistung von Firmen wie SGI. Alle diese Filme waren jedoch nie mehr als computergenerierte
Analoga zu Disneys Kinderfilmen.


A•LI•CE
Laufzeit: 85 Min., Japan 1999
Produzent: Takemoto Katsuaki, GAGA Communications
Regie: Maejima Kenichi
Drehbuch: Yoshimoto Masahiro
Art Director: Kizaki Hirosuku
Musik: Murata Akira
Sprecher: Shimizu Kaori, Kouda Mariko u.a.
Der Film lief mit englischen Untertiteln im Rahmen des „Fantasy FilmFest“, das jedes
Jahr ab Ende Juli durch Deutschland tourt.
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Mit weniger Etat und Rechenleistung, dafür jedoch an ein älteres Publikum gewandt,
versuchen jetzt auch japanische Produzenten ihr Glück in diesem sehr jungen Sektor des Films.
Die Rückkehr von dem gewonnenen Ferientrip zum Mond hatte sich Alice etwas anders vorgestellt.
Anstelle einer sanften Landung gerät das Shuttle beim Eintritt in die Atmosphäre
außer Kontrolle und stürzt ab. Kurz vor dem Aufschlag verliert Alice das
Bewußtsein... Als sie wieder erwacht, findet sie sich in einer endlosen Schneelandschaft,
auf der Flucht vor einer Gruppe roboterhafter Krieger. Der junge Yuan, der Alice schließlich
rettet, erklärt ihr, daß sie sich 30 Jahre in der Zukunft befindet, in einer Welt, die
der Diktator Nero und sein allmächtiger Computer SS10X beherrschen. Menschen werden von den
Roboterkriegern gejagt, gefangengenommen und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. In dieser Welt
macht sich Alice zusammen mit einem widerstrebenden Yuan und dem Dienstmädchen-Androiden Maria
auf die Suche nach ihrer Vergangenheit und dem Grund, warum sie in die Zukunft gebracht wurde. Als
die drei auf eine Gruppe von Widerstandskämpfern stoßen, werden sie gefangengenommen, und
Alice erfährt endlich, was in den letzten 30 Jahren geschehen ist. Sie selber ist die Mutter des
Diktators Nero, sie wurde in die Zukunft gebracht, da nur sie in der Lage ist, die Sicherheitssysteme
des SS10X zu durchbrechen und so einen Angriff auf Neros Festung möglich zu machen. Kann Alice
wirklich diese zukünftige Welt retten, und was ist in den 30 Jahren geschehen, die ihren Sohn
zu einem gnadenlosen Diktator werden ließen?
Der abendfüllende, vollständig computergenerierte Spielfilm (CGI-Filme) aus Japan
hinterläßt einen etwas zwiespältigen Eindruck beim Zuschauer. Die technische
Ausführung schwankt zwischen sehr beeindruckenden visuellen Effekten und Szenen, in denen an
jeder Rundung die Ecken der Polygone zählbar sind. Die Animation der Figuren erinnert mehr an
die Puppen des legendären Films Der dunkle Kristall von Jim Henson, ohne die Möglichkeiten
der heutigen Computeranimation auszunutzen. Den aktuellen Stand der CGI-Animationstechnik, wie ihn
Final Fantasy 8 oder Toy Story 2 demonstrieren, erreicht A•LI•CE nur in einzelnen Szenen.
Die technische Problematik demonstriert eindeutig, daß CGI-Filme zumindest im Moment noch auf
ein sehr großes Budget angewiesen sind, denn die Möglichkeiten der Animationsprogramme
auszunutzen bedeutet, immense Rechenleistung zu benötigen, die noch sehr teuer ist.
Viele japanische Filme leben jedoch weniger von technisch revolutionärer Animation als von
ihren aufwendigen, liebevoll erzählten Geschichten und den einprägsamen Charakteren.
Zeitreise-Geschichten sind nicht unbedingt etwas Neues, A•LI•CE begeht jedoch leider den
Fehler, in die Logikfallen des Zeitparadoxons hineinzutappen. Gerade am Ende, welches für sich
alleine genommen bereits stark an das verkrampfte Happy-End eines Disney-Films erinnert, muß
man sich fragen, ob der Drehbuchschreiber nicht schon den Anfang der Geschichte vergessen hatte. Die
Charaktere des Films leiden unter der kurzen Laufzeit von nur 82 Minuten, bis auf die Hauptfigur
Alice fehlt den Figuren eine Geschichte und damit auch eine gewisse Tiefe. Die Androidin Maria kann
dies durch eine sehr gute Sprecherin und einige witzige Szenen ausgleichen, der Widerstandskämpfer
Nicolai beeindruckt als eine der wenigen Figuren durch seine hervorragende Animation.
Mit anderen Filmen verglichen ist A•LI•CE nur durchschnittlich, aber das Genre der
computergenerierten Filme ist noch jung, und in seinem Rahmen betrachtet stellt A•LI•CE
eine beachtliche, sehenswerte Leistung dar. Auch ohne Dutzende Millionen Dollars und Hunderte
Gigaflops an Rechenleistung lassen sich durchaus ansprechende Filme schaffen. A•LI•CE ist
ein kleiner Ausblick auf eine interessante und großartige Zukunft des Anime.
Christof
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