Die aktuelle Mangaserie der erfolgreichsten Mangaka Japans ist im Westen noch nicht so
populär wie ihre Vorgänger, vielleicht, weil noch keine animierte Fassung existiert. Doch
das wird sich noch dieses Jahr ändern!



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Die Heldin in Takahashis neuester Serie ist Kagome, ein junges Mädchen, das, obwohl sie
im Shinto-Schrein ihres Großvaters lebt, von Geistergeschichten, Glückstalismanen und
ähnlichem herzlich wenig hält. Eines Tages jedoch wird sie von einem furchterregenden Monster
in den Brunnen des Schreins gezogen und landet so im mittelalterlichen Japan. Das Monster verfolgt sie
weiter und reißt eine kristallene Kugel aus Kagomes Körper. Dabei handelt es sich um das
„Vier-Seelen-Juwel“, das Dämonen jeder Art große Macht verleiht. Das so erstarkte
Monster kann erst besiegt werden, als Kagome den Hundedämon Inu-Yasha befreit. Dieser erkennt sie
dann aber als Reinkarnation der Priesterin Kikyo wieder, die Inu-Yasha viele Jahre zuvor besiegte, und
greift Kagome sofort an. Glücklicherweise gelingt es, ihn durch einen Zauber zu zwingen, Kagome
zu gehorchen, wodurch fürs erste Frieden herrscht. Dann wird aber bei einem Kampf gegen einen
weiteren Dämon das Vier-Seelen-Juwel zerstört und seine Splitter über ein großes
Gebiet verstreut. Inu-Yasha und Kagome (zwischen denen sich recht schnell eine Art Haßliebe
entwickelt hat, die der von Ranma und Akane ähnelt) machen sich auf, die Splitter des Juwels
zu finden, um zu verhindern, daß sie von anderen Dämonen mißbraucht werden. Doch
meist kommen sie zu spät und müssen den jeweiligen Splitter einem Dämon abjagen, der
damit absolut nicht einverstanden ist.
Bei der obigen Beschreibung der Handlung und dem unvermeidlichen Vergleich mit Ranma 1/2 könnte
nun der Verdacht aufkommen, Inu-Yasha sei eine ebensolche Endlosserie, bestehend aus unabhängigen,
kurzen Handlungsbögen, die alle nach dem gleichen Muster verlaufen. So ganz falsch ist das nicht:
Mit schöner Regelmäßigkeit tauchen Hinweise auf einen Splitter des Juwels auf,
Inu-Yasha und Kagome machen sich auf den Weg, und treffen auf einen Dämonen, den sie dann besiegen
müssen. Doch zum Glück wird dieser Trend auch immer wieder durchbrochen: Es tauchen
übergreifende Handlungselemente auf, zuerst in Form von Inu-Yashas Halbbruder Sesshou-Maru.
Dieser ist auf Inu-Yasha gar nicht gut zu sprechen, und im Laufe des Konflikts erfährt man so
einiges über Inu-Yashas Herkunft. Außerdem ist Kagome nicht unwiderruflich in der
Vergangenheit gefangen, sondern kann auch in ihre Zeit zurückkehren. So richtig interessant wird
die Geschichte jedoch erst später, als sich zu zeigen beginnt, was damals wirklich geschah,
als die Priesterin Kikyo gegen den Hundedämon kämpfte...
Inu-Yasha läßt sich aber trotzdem am einfachsten als Mischung aus Ranma 1/2 und der
Meerjungfrauen-Saga beschreiben, außerdem ähneln das Anfangsszenario und einige andere Szenen
der Kurzgeschichte Fire Tripper. Von Ranma 1/2 hat die Serie vor allem die turbulente Beziehung zwischen
Kagome und Inu-Yasha geerbt, bei der sich trotz allen Streits schon bald echte Zuneigung erkennen
läßt, sowie die zahlreichen Kämpfe und die vielen mythologischen Elemente. Ein
großer Unterschied besteht aber darin, daß Inu-Yasha keine reine Komödie ist:
Die Kämpfe sind ernst, blutig und für so manchen Beteiligten tödlich. Insofern
könnte man Inu-Yasha vielleicht sogar als Takahashis zweite Horror-Serie neben der
Meerjungfrauen-Saga bezeichen. Völlig todernst geht es aber auch nicht zu: Vor allem die
Streitereien zwischen Kagome und ihrem „Beschützer“ sorgen für Heiterkeit,
ebenso wie die ständigen Kollisionen zwischen Kagomes modernem Lebensstil und Gewohnheiten und
ihrer mittelalterlichen Umgebung: Wer hätte gedacht, daß einem gestandenen Samurai eine
Tüte Kartoffelchips gar vorzüglich mundet?
Insgesamt gesehen hat die Autorin vom Inhalt her also eigentlich kein Neuland betreten, sondern
eine Mischung von Themen produziert, die sie bislang nur getrennt behandelt hatte. Durch die
weibliche Hauptfigur scheint Inu-Yasha allerdings deutlich stärker als Takahashis andere Serien
auch Frauen bzw. Mädchen anzusprechen. Was den Zeichenstil angeht, so unterscheidet sich
Inu-Yasha jedoch in nichts von einem beliebigen anderen Manga der Zeichnerin (von ihren frühen
Werken einmal abgesehen).
Inu-Yasha läuft seit Ende 1996 bis heute in „Shonen Sunday“ (am 21. Juni erschien Kapitel
173) und es sind bei Shogakukan inzwischen mindestens 16 Tankoubon erschienen. Die englische
Übersetzung erscheint bei Viz, wie üblich als Serie von Einzelheften, die einige Monate
später in „Graphic Novels“ zusammengefaßt werden. Wem der Erscheinungsrhytmus zu
langsam ist, der findet übrigens unter http://www.wot-club.org.uk/
Inuyasha Skripte zum Manga.
Um endlich zum in der Einführung erwähnten Inu-Yasha Anime zu kommen: Momentan existiert lediglich
ein voll animierter Fernsehwerbespot. An einer „echten“ Fernsehserie wird jedoch mit
Hochdruck gearbeitet, und die Ausstrahlung in Japan soll diesen Herbst beginnen. Leider wurden bisher
weder zu den Synchronsprechern noch zum Produktionsteam Angaben gemacht, und so bleibt einem wohl
nichts anderes übrig, als abzuwarten...
Michael B.
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