[ant-news] Spezial: Sen to Chihiro gewinnt Goldenen Baeren! Datum: Sun, 17 Feb 2002 22:03:20 +0100 Von: ANT-Onlinenewsletter (Anime no Tomodachi) Hallo! Die Sensation ist perfekt: Der neueste Film von Hayao Miyazaki, "Sen to Chihiro no Kamikakushi" alias "Spirited Away", hat auf der Berlinale 2002 einen goldenen Bären gewonnen! Damit dürfte auch ein Kinorelease in Deutschland so gut wie sicher sein. Die Berlinale gehört zu den drei bedeutendsten Filmfestspiele der Welt. Es ist das erste Mal, daß ein Zeichentrickfilm einen Goldenen Bären gewonnen hat und erst das zweite Mal nach 1963, daß ein japanischer Film diese Auszeichnung erhielt. Bisher haben den Film in Japan 22 Millionen Zuschauer gesehen, der bisher umgerechnet 250 Millionen Euro eingespielt hat. Hier die Berichte aus den Hauptnachrichtensendungen des Abends: ZDF Heute-Sendung um 19:00 Uhr: "[...] Der britisch-irische Film "Bloody Sunday" von Regisseur Paul Greengras und ein japanischer Trickfilm teilen sich die begehrte Auszeichnung." Es folgt ein Filmbericht mit einem 12-sekündigen Ausschnitt aus "Sen to Chihiro": "[...] Ganz unerwartet die Hauptpreisträger. In diesem Jahr sind es zwei Goldene Bären. Zum einen ein Zeichentrickfilm aus Japan: Die Geschichte eines kleinen Mädchens, das aus einer kapitalistischen in eine Traumwelt reist, dort Freundschaft, Liebe und Vertrauen erfährt. Ein Märchen, in Japan der größte Kinoerfolg aller Zeiten. Der Top-Favorit der Berlinale 2002, der französische Film "Huit Femmes", u.a. mit Cathérine Deneuve und Isabelle Huppert, eine Krimikomödie mit Musik, ging dagegen fast leer aus. Immerhin ein silberner Bär an die Schauspiel- erinnnen des Films für ihre herausragende künstlerische Leistung. Eine der nachvollziehbaren Entscheidungen bei der diesjährigen Berlinale. Auch der andere Sieger des Wettbewerbs, "Bloody Sunday" aus Nordirland, war vor allem moralisch motiviert." Und in der Tagesschau der ARD um 20:00 Uhr: "Zum Abschluß der 52. Berlinale erhalten in diesen Minuten der britisch-irische Film "Bloody Sunday" und der japanische Trickfilm "Spirited Away" zu gleichen Teilen die höchste deutsche Auszeichnung." Danach wurde der offenbar geplante kurze Filmbericht jedoch nicht gezeigt, da die gesamte Meldung aus Zeitgründen wohl zugunsten der Sportmeldungen kurzfristig nicht gesendet werden sollte. Die Tomodachi hatten am letzten Wochenende einen gemeinsamen Kinobesuch organisiert und Karten für die Vorstellung am Samstag abend besorgt, so daß wir den Film mit über 30 Animefans gemeinsam zum ersten (und sicherlich nicht letzten! ;-) Mal gesehen haben. Hier noch einmal der Bericht über den Film aus der FUNime 22 vom Juli 2001, als der Film in Japan gerade aktuell in Japans Kinos lief: Sen to Chihiro no Kamikakushi Der neue Ghibli - gerade in Japans Kinos angelaufen Die zehnjährige OGINO Chihiro ist von dem Umzug in eine Kleinstadt nicht gerade begeistert, doch selbst in ihren wildesten Träumen (oder Albträumen) hätte sie sich nicht vorstellen können, was sie wirklich erwartet... Denn auf der Anfahrt zum neuen Heim verfährt sich ihr Vater und landet auf einem Feldweg, der an einem seltsamen Tunnel endet. Aus Neugier wird dieser durchquert. Auf der anderen Seite findet sich eine scheinbar absolut verlassene Ansammlung von Häusern. Doch als es Nacht wird, ist das Städtchen auf einen Schlag mit Leben erfüllt - wenn das überhaupt der richtige Ausdruck ist für eine Bevölkerung aus furchterregenden Geister- und Märchen- gestalten. Doch es kommt noch schlimmer: Chihiros Eltern haben sich in Schweine verwandelt, der Rückweg endet plötzlich an einem Seeufer, und sie selbst erregt als einziger Mensch in der Menge recht unangenehmes Aufsehen. Immerhin findet sie in Haku einen Freund, einem Jungen, der ihr rät, in dem riesigen, die Stadt dominierenden Gast- und Badehaus als Putzhilfe anzuheuern. Dadurch hat sie zwar wenigstens eine Bleibe, doch der Hausherrin ist Chihiros Name auf dem Anstellungsvertrag zu lang, und sie kürzt ihn mittels Magie auf "Sen" (das erste Kanji in "Chihiro" in einer anderen Lesung) - und bald kann sich Sen nur noch verschwommen an ihre eigene Vergangenheit und ihren richtigen Namen erinnern! Sollte sie ihn ganz vergessen, so erklärt ihr Haku, wird sie für immer hier bleiben müssen und ihre Eltern landen im Kochtopf... Soweit also das Szenario in dem langerwarteten neuesten Kinofilm aus dem Hause Ghibli. Im weiteren Verlauf der Geschichte lebt sich Sen in ihre neue Umgebung ein, gewinnt weitere Freunde und muß eine Reihe schreckenerregender Fabelwesen konfrontieren, um schließlich... aber wir wollen ja nicht die ganze Handlung verraten! Auf jeden Fall ist Sen to Chihiro, wie eigentlich alle Ghibli-Filme, ein ziemlich einzigartiges Kleinod - und wer hätte auch etwas anderes erwartet? Dabei gibt es sowohl Gemeinsamkeiten als auch grundlegende Unterschiede zu früheren Ghiblis. Dem Kenner läßt sich der Film vielleicht am besten beschreiben als eine Mischung aus der Dramatik und der teilweise düsteren Grundstimmung von Laputa sowie dem sense of wonder und der kindlichen Sicht auf eine Märchenwelt aus Totoro. Die komplexen Geflechte aus Politik und Ethik wie in Mononoke Hime fehlen hier hingegen völlig - die Story von Sen to Chihiro ist, wie bei Märchen üblich, relativ einfach gestrickt. MIYAZAKI Hayao, der das Studio Ghibli ja zwischenzeitlich verlassen hatte, an diesem Film aber doch wieder entscheidend mitwirkte, hat ihn ganz ausdrücklich vor allem für Kinder konzipiert. Doch das heißt natürlich nicht, daß man sich als Erwachsener langweilen würde. Denn das hervorragende Merkmal von Sen to Chihiro ist die Erschaffung einer neuen, unbekannten Welt voller fremdartiger Wesen, deren Regeln, Freuden und Gefahren sich Sen, genauso wie dem Zuschauer, erst nach und nach erschließen. Dies wird hauptsächlich durch den enormen Detailreichtum und die Vielfalt in den Charakter- und Locationdesigns erreicht, die teilweise in der japanischen Sagen- und Märchenwelt verwurzelt, teilweise aber auch völlig neu erdacht und vor allem bis ins kleinste Detail durchdacht sind. Egal, ob es das gebühren- pflichtige Heißwassersystem des Badehauses oder die altertümliche Fahrkartenentwertungsmaschine des Geisterzuges ist: alles macht irgendwie Sinn. Die Charaktere sind allerdings, anders als in den meisten Märchen, keine Stereotypen, und der erste Eindruck täuscht oftmals: Eigentlich ist kaum einer der Hauptcharaktere ganz das, was er auf den ersten Blick zu sein scheint. Sen selbst erscheint am Anfang als ziemlich zaghaft und ängstlich, gewinnt im Laufe der Geschichte jedoch deutlich an Mut und Selbstvertrauen. Rin, die sie in ihre Arbeit einweisen soll, benimmt sich zunächst schroff und abweisend, wird dann jedoch zu einer guten Freundin. Und Haku... aber das wäre schon wieder zu viel verraten. Wer sich übrigens fragt, was der Name des Films bedeutet: Nun, Sen to Chihiro sind natürlich die beiden Namen des Hauptcharakters, doch Kamikakushi ist eine ziemlich schwer zu übersetzende Wortschöpfung, bestehend aus einer Kombination von "kami", der generischen Bezeichnung für übersinnliche Wesen, und dem Verb "kakusu", verstecken. Ghibli selbst hat als englische Übersetzung dafür "spiriting away" gewählt, was wohl recht treffend ist, doch eine gute deutsche Übersetzung fällt mir jedenfalls nicht ein. Kommen wir zur technischen Seite: Sen to Chihiro ist, nachdem der Wasserfarben-Stil von Tonari no Yamada-kun beim Publikum nicht so gut ankam, wieder komplett im altbekannten Ghibli-Stil gehalten. Und natürlich bewegt sich auch die Animationsqualität auf gewohnt hohem Niveau. Einige computeranimierte Szenen fallen etwas (so finde ich) negativ auf, nicht weil sie etwa künstlich aussehen würden, sondern weil sie sich durch superweiche, detaillierte Zooms einfach zu sehr vom normal animierten Rest des Films abheben; weniger wäre hier mehr gewesen. Die Synchronsprecher bieten eine ausgezeichnete Leistung, und die Musik von HISAISHI Joe fügt sich wie immer wunderbar stimmungsvoll in den Film ein. Das Abspannlied "Itsumo nando demo", gesungen von KIMURA Yumi, ist zwar ganz nett anzuhören, man vermißt aber irgendwie die sonst übliche Integration in den Film, die ja gerade bei Ghibli Tradition hat (man denke an Mimi o sumaseba / Whisper of the Heart!). Stattdessen untermalt das Lied lediglich die Credits, die vor einem schwarzen Hintergrund vorbeiscrollen, während der Zuschauer den Film noch einmal geistig Revue passieren läßt - oder sich den schmerzenden Hintern massiert: Sen to Chihiro no Kamikakushi gelang es, den Besucherrekord von Mononoke Hime für die erste Woche zu brechen, und selbst am zweiten Wochenende war der Andrang noch so groß, daß die Kinos überfüllt waren und so mancher Zuschauer den Film nur auf dem Boden sitzend sehen konnte (!). Dies liegt jedoch auch an der etwas seltsamen Vertriebspolitik, wegen der der Film nur in einer relativ kleinen Zahl von Kinos läuft (in etwa jedem vierten oder fünften). Bei Animefilmen ist das (oder weniger) zwar auch in Japan die Regel, doch in diesem Fall war der Andrang ja eigentlich vorherzusehen, und der neue Pokémon-Film wird schließlich auch fast überall gespielt. Noch eine interessante Notiz am Rande: Im Programmheft zu Sen to Chihiro findet sich auch ein wirklich interessant aussehender Artikel über das Ghibli-Museum in Mitaka, in dem endlich auch ein festes Datum für die Eröffnung angegeben wird: der 1. Oktober dieses Jahres. Michael B. Sen to Chihiro no Kamikakushi ©2001 Nimaryoku, TGNDDTM Idee, Szenario, Aufsicht: MIYAZAKI Hayao Leitender Produzent: TOKUMA Yasuyoshi Musik: HISAISHI Joe Regie: ANDOU Masashi Künstlerische Leitung: TAKESHIGE Youji Animation: Gainax, AIC, Madhouse (u.a.) Spieldauer: 125 Minuten